Interview-Partner: Andrea Neumann [Bibliothekarin]
🐧 Hallo Andrea, darf man jemanden der Tag für Tag von so vielen Büchern umgeben ist, nach seinem Lieblingsbuch fragen?
📚 Darf man, allerdings gestaltet sich die Antwort tatsächlich sehr schwierig, da ich natürlich zahlreiche Lieblingsbücher verschiedener Genres habe. Daher kann ich an dieser Stelle nur mein Lieblingsbuch aus Kindheitstagen verraten. Das ist „Das doppelte Lottchen“ von Erich Kästner. Eine der bekanntesten Kindergeschichten, vielfach verfilmt und ein Klassiker unter den Kinderbüchern. Da ich lustiger Weise Tante von Zwillingen bin, lese ich den Mädels diese Geschichte immer wieder gern vor.
🐧 Was hat es mit der Bonbon-Fabrik in Potsdam mit eurer Bibliothek zu tun?
📚 Bei der „Bonbon-Spende“ handelte es sich um ein projektbezogenes Sponsoring. Derzeit läuft bei uns der sogenannte Brandenburger Lesesommer, an dem sich viele Bibliotheken im Land Brandenburg beteiligen. Bücherwürmer zwischen 8 und 14 Jahren können sich anmelden und daran teilnehmen. Es gibt 350 nagelneue Bücher im exklusiven Clubbestand, die Kids erhalten ein Logbuch, können dann in der Ferienzeit ganz viel lesen, eine Urkunde bekommen und zusätzlich tolle Gewinne erhalten. Die Bonbons gibt es dann quasi bei unserer Abschlussparty.
🐧 Wie darf ich mir euer Bibliotheksleben vorstellen, ist das bei euch so lebhaft wie auf eurem Social Media Kanal?
📚 Ist es! Man muss dazu sagen, dass wir über unseren Instagram-Kanal täglich zahlreiche neue kleine und große Leser:innen gewinnen können. Das ist natürlich ein riesiger Vorteil, der uns hilft, verstaubte Bücherei-Klischees mit Witz und Humor wegzupusten und die Neugierde für Bücher zu wecken. Das merken wir selbstverständlich auch vor Ort. Unsere Aktionen, Workshops und Lesungen sind immer ausgebucht, Termine für Kitas und Schulklassen haben wir bis Jahresende so gut wie keine mehr. Soll heißen: Bei uns ist immer etwas los! Das Netzwerk funktioniert, was natürlich großartig ist.
Auf eurem Briefpapier habt ihr genau das beschrieben, die Bibliothek hat sich gewandelt, früher standen die Bücher als solche im Mittelpunkt, heute sind es die Besucher. Die Bibliothek als Treffpunkt und Begegnungsstätte.
🐧 Es gibt aber bestimmt auch Tätigkeiten, die langweilig und trocken sind, oder?
📚 Die gibt es mit Sicherheit, wobei es natürlich immer im Auge des Betrachters liegt, welche Tätigkeit als trocken empfunden wird. Mein Team weist dahingehend einen sehr guten Mix auf. Was die Eine nicht mag, ist das Steckenpferd der anderen. Medien für die Ausleihe aufzubereiten und zu katalogisieren ist zum Beispiel ein Tätigkeitsfeld, das auf den ersten Blick nicht so immens spannend erscheint. Dennoch hilft es, sich einen guten Überblick über die neuesten Titel zu verschaffen. Zudem ist es ein guter Kontrast zu unserem sonst mitunter turbulenten Arbeitsalltag und eine gute Sache, um den Kopf freizubekommen.
🐧 Teltow ist ein Teil von Berlin, sehr weit südlich, ich kenne die Wannsee-Gegend nebenan recht gut, da eine Großtante von mir dort gelebt hat. Wer besucht die Bibliothek in Teltow am meisten, Studenten, Kinder, Männer oder Frauen?
📚 Ganz richtig, im Grunde lässt sich das schwer ausloten, da unser Publikum tatsächlich generationsübergreifend und bunt gemixt ist. Unser Schwerpunkt liegt allerdings auf Familien mit Kindern. Einfach auch aus dem Grunde, da Teltow im Speckgürtel Berlins gelegen ist und einen immens hohen Zuzug an Familien mit Kindern zu verzeichnen hat, die es aus der Großstadt in etwas ruhigere Gefilde zieht.
🐧 Beschäftigen euch im Zusammenhang mit Büchern gesellschaftliche Themen von heute, beispielsweise Gendern oder Diversität?
📚 Auf dem Kinderbuchmarkt ist „Vielfalt“ das Schlagwort der Stunde. Die Themen Identität und Diversität sind aktueller denn je. Wenn es um kulturelle Vielfalt geht, sind Kinderbücher ein Spiegel der Gesellschaft. Diversität in Kinderbüchern ist insbesondere deshalb wichtig, um zu verhindern, dass sich falsche Denkansätze in Kinderköpfen verankern. Diversität beschränkt sich aber nicht allein auf Herkunft und Hautfarbe. Auch sexuelle Orientierung, diverse Familienmodelle oder Menschen mit Behinderungen beispielsweise sind ein Thema. Wir beobachten, dass sich das Angebot immer weiter verbessert und die Themen zunehmend feinfühliger und weniger verkrampft, sprich selbstverständlich in die Medien einfließen.
🐧 Da wir gerade über Kinderbücher sprechen: Was macht für euch ein gutes Kinderbuch aus?
📚 Ein gutes Buch betrachtet die Welt durch die Augen der Kinder. Wichtig sind Aspekte wie eine kindgerechte Sprache, eine dem Alter angemessene Textmenge und vor allem eine Gestaltung, die das Sehen lenkt, die interessant ist, ohne zu überfordern. Pädagogische Inhalte sollen natürlich auch vermittelt werden. Allerdings ist es noch wichtiger, dass Kinder Spaß am Lesen haben – und diesen nicht gleich wieder verlieren. Kinderbuchautorin Kirsten Boie sagt etwa, das Entscheidende an einem guten Kinderbuch sei, dass es Spaß bringe. Ein gutes Kinderbuch muss für sie nicht zwangsläufig immer „pädagogisch wertvoll“ sein.
Schließlich wollen wir Erwachsenen ja auch zur Unterhaltung lesen. Wenn die Kids aber gleich etwas Nützliches daraus mitnehmen – umso besser. Geschichten und Situationen, die den Kindern aus ihrem Alltag und Erfahrungsschatz vertraut sind, eignen sich dafür besonders.
🐧 Da habe ich doch einmal eine Frage zu Kalle Pinguin.
Kalle Pinguin geht auf die Reise, weil der Klimawandel auch am Südpol zuschlägt. Die Geschichte ist 2012 entstanden und das Thema Klimawandel war das Vehikel, um einen Grund zu haben Kalle auf Reisen zu schicken. Als 2018 das Thema in der breiten Gesellschaft ankam, haben wir uns entschieden diese unsere Kalle Pinguin Geschichte als Kinderbuch drucken zu lassen.
Kinder können das Thema noch nicht fassen, es ist eher etwas für die Vorleser. In der Geschichte selber begegnet Kalle einigen Tieren, dabei ergeben sich witzige, lustige und andere Situationen, es gibt ein Suchbild, die Kinder werden beim Vorlesen in die Geschichte hineingezogen und da es in erster Linie von den Bildern lebt geben wir auch immer wieder den Tipp, dass sich die Vorlesenden gerne etwas Eigenes zu den Bildern ausdenken können.
Wie gut passt der Unterhaltungswert unserer Kalle Pinguin Geschichte in das Bild eines guten Kinderbuches – aus Deiner Sicht?
📚 Ich denke, Kalle Pinguin hat hohen Unterhaltungswert. Tiere in Kinderbüchern dienen als Symbole oder lehrreiche Beispiele, sie sind Gefährten oder Ratgeber, aber unterhalten und bewegen auch. Kinder bringen von Natur aus ein großes Interesse für Pflanzen, Tiere und die Welt um sie herum mit. Sie möchten wissen, wie unsere Erde funktioniert, was es mit dem Klimawandel auf sich hat und was sie selbst tun können. Wenn sich beide Komponenten miteinander kombinieren lassen und das Ganze dann auch noch ansprechend, anschaulich und unterhaltsam rübergebracht wird, umso besser. Das ist in Kalle Pinguin meines Erachtens nach absolut gelungen.
🐧 Dann möchte ich noch die Abschlussfrage direkt anhängen, welches ist Dein Lieblings-Tier aus unserer Kalle Pinguin Kindergeschichte?
📚 Das ist eine schwierige Frage, da jedes Tier natürlich seine Stärken, Besonderheiten und Eigenarten aufweist. Kalle selbst ist ja schon sehr knuffig. Giraffe Mia hat es mir auch angetan. Im Grunde müsste ich aber das Nashorn wählen, da das Nashorn schon immer das Lieblingstier meines Sohnes ist.