Interview-Partner: Steffi [Slammerin, Autorin]
🐧 Hallo Stefanie, auf deiner Webseite bin ich direkt über poetry slam gestolpert. Slammst, dichtest bzw. reimst du gern?
☀️ Hallo Bo, also dass ich einen Hang zum Dichten habe, kann ich nicht leugnen. Zufälligerweise habe ich gestern gerade beim Aufräumen ein altes Tagebuch gefunden, wo mir prompt ein Liebesbrief von mir in die Hände fiel. Da war ich elf.
Also man kann wohl behaupten, Reime liegen mir im Blut. Das mit dem Slammen kam daher, dass ich Gedichte an sich eher altbacken finde und dachte, für die jungen Leute, das muss irgendwie cooler sein. Und so machte ich mich an einen Text (in Reimen) für meinen Bruder und so entstand mein erster Slam-Text. Dass das mein Steckenpferd sein soll, ok, ich glaube den Menschen, die mir das sagen. Ich denke, es ist der Rhythmus, das Tempo und dass in wenig Worten soviel gesagt werden kann. Das reißt die Zuhörer mit, egal, welcher Altersgruppe sie angehören.
🐧 Ich habe mir einige deiner slams auf youtube angehört. Ich finde slammen faszinierend. Ich habe vor zwei Jahren einmal überlegt, ob ich meine Kinderbuchgeschichte einmal bei so einem poetry slam performe – habe mich letztlich aber nicht getraut. Stehst du mehr auf die Reime oder ist es der Rhythmus beim slamen?
☀️ Der Rhythmus. Er kommt – wie der Text – aus meinem Bauch. Ich muss nichts dafür tun. Nur aufschreiben.
🐧 Könntest du dir vorstellen, dass das Vortragen unserer Kalle Pinguin Kindergeschichte bei einem poetry slam funktionieren könnte?
☀️ Auf jeden Fall! Bin gerne mit am Start! Das probieren wir aus! Die Idee find ich klasse!
🐧 Cool, das behalte ich im Hinterkopf. Wobei, nicht alle Reime sind auch welche, gerade beim slammen wird durch die Betonung aus zwei ähnlichen Worten der Eindruck eines Reimes gewonnen. Stört dich das oder ist es das, was es aus macht?
☀️ Das macht es aus. Gerade Umbrüche, mitten im Satz, weil der Reim dann wieder zum nächsten passt, das ist das, was sich von „klassischen“ Gedichten abhebt. Man kann mit den Worten spielen, das macht es anders im Aufbau. Und man genießt natürlich auch noch die dichterische Freiheit.
🐧 Das mit den Umbrüchen im Satz finde ich super, das macht poetry für mich auf jeden Fall aus. Ich bin jetzt etwas gemein, ich wollte eher auf Reime hinaus, die sich bei der performance durch leichte Aussprache-Tricks scheinbar reimen, aber im Schriftbild, wenn man sich das genau anschaut, eben nicht.
☀️ Ich finde das gar nicht gemein. Eher aufmerksam. Du hast Recht, beim Hören fällt das nichts ins Gewicht und man achtet da gar nicht so genau drauf. Dass die Wörter nur ähnlich klingen oder man sie eben beim Erzählen so ausspricht, das sehe ich als dichterische Freiheit und Gabe des Slammens und damit der Textveränderung an, sodass es im Rhythmus und Flow bleibt. Habe gerade einen neuen (Slam-) Text, da kommt das auch so vor! Schau mal:
Du akzeptierst mich wie ich bin und meine Kinder,
müsste ich wählen, mit dir würde ich überwintern.
Du bist der Grund, nichts mehr zu verhindern.
Du bist weich wie Daunen und stark wie ein Balken,
nur mit dir zusammen möchte ich alt werden.
Du bist Fuchs, Wiesel und Löwe, alles in allem.
Du beschützt mich und bietest mir Halt.
Du bist wie die Taschenlampe im dunklen Wald,
vor dem ich mich nun nicht mehr fürchte,
denn du machst mir bewusst, dass ich alles dürfte,
was ich versucht habe aufzusparen,
aus Angst, wieder einmal zu versagen.
🐧 Du bist aber nicht nur als poetry slammerin auf der Bühne, du machst auch andere kreative Dinge.
☀️ Kreativ war ich schon immer. Nur ausgelebt habe ich es nie wirklich. Dafür war ich zu schüchtern. Ich sage immer, wenn mich jemand fragt, in meiner zweiten Lebenshälfte, habe ich angefangen, zu begreifen, was wirklich im Leben zählt. Es sind nicht die Jobs, das Geld, die Position. Nein, für mich ist es das Leben an sich, die Dankbarkeit, die Menschen, die einem begleiten. Und eben dass man das machen sollte, was einen ausmacht. Bei mir liegt das im Schreiben. Eigentlich war mir das im Alter von zwölf Jahren schon klar. Nun bin ich dankbar, dass ich das machen kann, was ich schon immer wollte.
🐧 Das sind ein paar tiefe Einblicke in deine Seele. Meinst du, dass viele Bühnenkünstler als Kinder eher schüchtern waren?
☀️ Das kann ich mir gut vorstellen. Obwohl das sicher nicht auf alle zutrifft. Aber ich denke auch, das viele das verstehen und sich darin wiederfinden, wenn ich erzähle, dass ich eigentlich lieber für mich allein bin und mich eben nicht als Rampensau bezeichne, weil ich auf der Bühne rote Ohren bekomme. Das macht mich authentisch und ehrlich. Und eben gerade durch diese Überwindung wird man stark. Wenn man dann noch aus dem Publikum zurückbekommt, dass es ankommt und man gesehen wird und verstanden, dieses Gefühl und diese Anerkennung macht es aus. Dafür geht man dann wieder ans Mikro.
🐧 Du hältst Lesungen für Gehörlose, sprichst du Gebärdensprache?
☀️ Nein. Leider nicht. Aber wir hegen Kontakt und unterstützen gerne Menschen, die andere Fähigkeiten besitzen oder eben welche nicht. Wie eine Lesung für Gehörlose. Wir haben eine ganz liebe Dolmetscherin an der Seite, sie übersetzt dann für die, die uns Vorleser sonst nicht verstehen können.
🐧 Im August hast du gerade deinen kleinen Tigerhasen auf die Welt gebracht, für wen ist das Kinderbuch?
☀️ Für meine Kinder. Für alle Kinder. Und für alle, die noch mit Kinderaugen auf die Welt blicken können.
🐧 Wer ist der kleine Tigerhase?
☀️ Entstanden ist die Geschichte beim Vorlesen am internationalen Vorlesetag 2016. Ich las immer in der Schule meiner Kinder vor und dachte mir, noch schöner wäre es, wenn du sagen kannst, dass die Geschichte von mir selbst geschrieben ist.
Dann hab ich mich hingesetzt und hab im Anschluss an den Schulbesuch, die Geschichten geschrieben. In einem Wusch. Vier Stück. Meine Themen drehen sich um Toleranz, Empathie und dem Miteinander. Ich hoffe, das kann man bei den Geschichten erkennen. Da das sich anders fühlen in meinem Leben immer eine große Rolle gespielt hat, war das Thema naheliegend, es in kindgerechter Sprache aufzuschreiben.
🐧 Bist du lieber auf der Bühne oder in deiner Schreibecke und entwickelst entweder das was du auf der Bühne folgen lässt bzw. für Kinder aufschreibst?
☀️ Ganz klar: Schreibecke!
🐧 Du beobachtest gerne, meist dient das auch der Ideenfindung. Wenn dich jemand beobachtet, was meinst du würde dieser Jemand für drei Dinge an dir finden.
☀️ Schwierige Frage. Also ich nehme an, und da muss ich aus Erfahrung sprechen, es ist 1. Ruhelosigkeit. 2. Dann bin ich sehr nachdenklich. Das kann man – oft – sogar sehen. Und 3., dass hoffe ich, sieht man mir meine Offenheit, die Hilfebreitschaft und Sympathie an, die ich – für viele meiner Mitmenschen – ausstrahle. So etwas über sich selbst zu behaupten, fällt mir nicht leicht. Aber so es und auch hier bei dieser Frage muss ich mich regelrecht überwinden, das so ehrlich niederzuschreiben. Aber ja, viele finden mich authentisch und dadurch sympathisch. Das will ich nicht bestreiten. Ich bin ein freundlicher Mensch und will das auch sein. Ich bin sehr aufmerksam, was mein Umfeld betrifft.
🐧 Die schwierige Frage hast du gut genutzt und toll beantwortet. Dann möchte ich eine hoffentlich einfachere Frage anschließen: Hast du ein Vorbild?
☀️ Ich habe viele Vorbilder. Wenn ich an Poetry Slam denke, wäre das Therasa Sperling, die Frau macht mir Gänsehaut. Sebastian 23 mag ich auch. Und David Friedrich.
Als Schriftsteller stehe ich auf Sergio Bambaren. Weil er eben nicht der Masse entsprach und trotzdem sein Ding machte. Durch seinen Lebensweg und seine sozialen Projekte und wie er generell durch die Welt geht, inspiriert mich immer wieder aufs Neue. Ich schätze ihn als Mensch und als Künstler. Das kann man wohl Vorbild nennen, oder?!
🐧 Möchtest du gerne mit deiner Kunst so richtig berühmt werden?
☀️ Nein. Dafür bin ich nicht gemacht. Allerdings hätte ich nichts dagegen, dass meine Worte die Welt berühren. Das wiederum, geht halt ohne Presse und große Auftritte leider nicht. Das ist ein Zwiespalt. Ich weiß noch nicht, wohin die Reise geht. Ich sage mir, ich würde genau das Selbe machen, auch wenn mir niemand zuhört. Alles, was zurückkommt, ist mein Lebensbonus. Der Rest kommt dann von selbst.
🐧 Was wünschst du dir noch für deinen Tigerhasen?
☀️ Ganz aktuell: Das er bleiben darf, wie er ist. Ich habe gerade eine wirklich unschöne Markenschutzanklage am Hals und soll alle Exemplare vernichten. Das würde mir das Herz brechen. Und den Verstand. Er soll weiterhin Kinder stärken und seine Geschichten erzählen dürfen.
🐧 Zum Abschluss kommt unsere obligatorische Frage: Welches ist dein Lieblings-Tier aus DIE NOT IST GROSS, EINER MUSS LOS?
☀️ Der grinsende Fisch. Der mit den roten Backen! Dicht gefolgt vom Zebra. Ich mag deine Tiere alle ziemlich gern.