Interview-Partner: Torsten Schönberg [Schriftsteller & Geologe]
🐧 Hallo Torsten, worum geht es in deinem Buch „Der Stempelmörder“?
🙂 „Der Stempelmörder“ ist ein Krimi irgendwo zwischen Satire und Kriminalkomödie. Es ist eine skurrile, makabre und humorvolle Geschichte des deutschen Migranten Juri Sonnenburg, der sich auf den Weg nach Wien macht. In Wien wird er in das Männerwohnheim in der Meldemannstraße gesteckt und zur Teilnahme am wenig menschenfreundlichen Integrationsprogramm „Piefke 5“ verdonnert, das die österreichischen Behörden angesichts eines Stroms von Tausenden deutschen Einwanderern aufgelegt haben. Ziel des Programms ist es, aus ihnen „gute Österreicher“ zu machen - vollwertige Mitglieder der Gesellschaft. Das wichtigste Zertifikat in der Alpenrepublik.
Im Heim lernt er Georg, einen Kärntner Geologen, kennen. Sie schlagen sich gemeinsam mit der einen oder anderen Gaunerei durchs Leben. Eines Tages wird ein Mitbewohner im Männerwohnheim erstochen aufgefunden, mit einem Stempel „Piefke 5“ auf dem Rücken. Juri und Georg gehören schnell zum Kreis der Verdächtigen. Während der „Stempelmörder“ immer wieder zuschlägt, kommt zutage, welch haarsträubende Vorgänge sich in den scheinbar wohl anständigen Kreisen Wiens abspielen.
Die Untersuchung des Falles nimmt Chefinspektor Paradeiser in die Hand. Ein Fahndungserfolg ist ihm aber anscheinend wichtiger als die Ermittlung der Wahrheit.
🐧 Da sind ein paar Elemente dabei, die durchaus nach dir klingen. Wie viel steckt da von dir in der Geschichte?
🙂 Der Krimi hat auch autobiografische Züge. Das fängt mit dem akademischen Hintergrund des Protagonisten an und hört mit dem einen oder anderen im Krimi geschilderten Erlebnis auf. Ich habe mich im Jahr 1994, mitten im Geologie-Studium an der Georg-August Universität in Göttingen, auf den Weg nach Wien gemacht. In Deutschland gab es keine Perspektive auf einen Job nach dem Studium. Zudem hatte der Bildungsabbau in der Ära von Kanzler Kohl dramatische Züge angenommen. In Wien folgte viel Bürokratie, der gelbe Fremdenpass bei der Fremdenpolizei und sogar ärztliche Untersuchungen. Österreich war damals noch nicht Teil der Europäischen Union.
🐧 Piefke ist ein nicht ganz so netter Begriff.
🤔 Mit dem Begriff Piefke wurde ich zum ersten Mal in Wien konfrontiert. Ich stand mit meinem defekten Auto mit deutschem Nummernschild mitten auf einer Straße und ein Wiener streckte seinen Kopf aus dem fahrenden Auto und schrie: „Oaschloch Piefke!“ So liefen aber nur vereinzelte Begegnungen mit den Wienern ab. Grundsätzlich wurde im Bekannten- und Freundeskreis gern der Begriff „Piefke“ verwendet – aber immer liebevoll gemeint. Vorlage für „Piefke 5“ waren die in der Ära von Kanzler Schröder eingeführten Hartz-Gesetze für den deutschen Arbeitsmarkt. Daraus wurde dann das Wiener Integrationsprogramm „Piefke 5“. Kombiniert wurde dieser gesellschaftskritische Ansatz mit den ausländerfeindlichen Parolen und Wahlkampfthemen in Österreich.
🐧 Du bist aber nicht in erster Linie Autor, wer beauftragt dich in deinem Brötchen-Job?
🤓 Ich habe nach dem Studium der Geologie in Göttingen und Wien mir eine weitere berufliche Basis als Consultant im Bereich Straßeninformationsmanagement aufgebaut. In meiner freiberuflichen Tätigkeit berate ich Landesregierungen, Gemeinden und Städte in der Erfassung, Verarbeitung und Administration von straßenbezogen Daten.
🐧 Wie kann ich mir die Arbeit vorstellen?
🙂 Ein einfaches Beispiel ist ein Verkehrsschild am Straßenrand. Die meisten Verkehrszeichen müssen von der Behörde verordnet werden, bevor sie die Straßenmeisterei oder der Bauhof aufstellt. Leider haben viele Behörden kein digitales Verzeichnis von diesen Schildern und den dazugehörigen Verordnungen. Dann komme ich ins Spiel. Ich biete z.B. den Gemeinden mehrere Dienstleistungen an, wo ich diese Verkehrszeichen mit Hilfe eines Tablets erfasse und in eine Datenbank einspiele. Die Behörde kann daraufhin diese Verkehrszeichen bequem in einer Oberfläche verwalten. Von den Ergebnissen dieser Tätigkeit profitieren u.a. auch Autonavigationsfirmen oder in Zukunft das autonome Fahren für selbstfahrende Autos, denn auch diese Hightech-Fahrzeuge benötigen den genauen Standort von Verkehrszeichen.
🐧 Das ist also High-Tech in einem Gebiet, in dem ich das zumindest nicht erwartet hätte. Das heißt du bist dafür ständig auf Achse, wie groß ist dein Einzugsgebiet, reicht das bis Hamburg?
🙂 Ich arbeite in diesem Bereich schon mehr als 20 Jahre, hauptsächlich in Österreich. Das Thema ist eng mit der Straßenverkehrsordnung verknüpft. Jedes Land hat seine eigene Straßenverkehrsordnung und deshalb sind meine Dienstleistungen nicht so einfach auf Deutschland übertragbar.
🐧 Ist das der Job, für den du studiert hast oder war die Ausrichtung eigentlich eine ganz andere und das hat sich einfach so ergeben?
😌 Das Verkehrszeichenthema resultierte aus einem Studentenjob. Nach dem Studium fand ich als Geologe in Deutschland und Österreich keinen Job. In Deutschland gab es am Ende der Kanzlerschaft von Helmut Kohl über 4 Millionen, später unter Kanzler Schröder sogar über 4,8 Millionen Arbeitslose und auch in Österreich gab es eine Rekordarbeitslosigkeit. Ich habe sogar weltweit nach Stellen gesucht. Ich hielt mich in Wien mit Studentenjobs über Wasser und einer dieser Jobs hing mit dem Thema Verkehrszeichen bei einer Autonavigationsfirma aus Belgien zusammen – also eher ein Zufallsprodukt. Mit Geologie hat diese Tätigkeit nichts zu tun.
🐧 Zurück zu deinem aktuellen Buch, du hast auf social media ein paar kleine Filmchen über die Produktion eines Trailers veröffentlicht. Ich habe ein paar Filmsets aus nächster Nähe gesehen, das ist schon ordentlich was du zu deinem Trailer aufgefahren lassen hast. Wie bist du dazu gekommen?
😆 Ich habe letzten Sommer Kontakt zur Filmproduktionsfirma mediaart aufgenommen und gefragt, ob sie Interesse haben mit mir dieses Projekt durchzuführen. In weiterer Folge entstand das Drehbuch zum Trailer, die Wiener Drehorte wurden ausgesucht und die Schauspieler kontaktiert. Mir war vollkommen klar, dass es eine hohe Investition ist. Ich war mir aber bewusst, dass die Pandemie noch eine Zeit dauern wird und ich als Autor Marketing über das normale Maß hinaus betreiben muss. Abgesehen davon hatte ich schon immer den Traum gehabt einem Cameo in einem Film zu haben.
🐧 Den fertigen Trailer gibt es über vimeo zu sehen: https://vimeo.com/533511554
Wohin soll die Reise mit dem Stempelmörder gehen? (nur für den Fall dass du das mit der Verfilmung noch nicht erwähnt hast, in dem Fall einfach die Frage offen lassen)
🙂 Neben dem Verkauf des Taschenbuchs und des E-Books laufen derzeit auch Initiativen des Gmeiner Verlags die Filmrechte zu vermarkten. Es wäre eine aufregende Geschichte, wenn der Stempelmörder eines Tages als Bösewicht im Fernsehen auftauchen würde.
🐧 Das werden wir auf jeden Fall verfolgen.
Du hast die Gelegenheit im großartigen Wien historische Gebäude vor die Linse zu nehmen, Torbögen, geschwungene Treppen. Ich war einmal in Wien, das liegt aber auch schon im letzten Jahrtausend. Was ist für dich Wien?
🙂 Ich habe mich bereits während meines Studiums in Göttingen dazu entschlossen für ein Jahr Auslandsstudium nach Wien zu gehen. Aus einem Jahr wurden mittlerweile 27 Jahre. Als Zugereister und ausgestattet mit einem Fremdenpass bin ich in die faszinierende Welt der ehemaligen Habsburger-Hauptstadt eingetaucht. Für mich war es und ist es auch heute noch ein riesiges Freilichtmuseum, das mir eine Fülle von kulturellen Höhepunkten, rätselhaften, skurrilen und makabren Anregungen bietet. Als Lieblingspiefke meiner österreichischen Freunde konnte ich das Piefke-Bild und auch das Verhalten gegenüber „Fremden“ in einigen Teilen der österreichischen Gesellschaft eingehend studieren und sie lieferten mir sehr viele Anregungen für den Stempelmörder.
Mittlerweile ist Wien für mich zu einer zweiten Heimat geworden, deren Bewohner, Kultur und Lebensqualität ich sehr schätze und nicht mehr missen möchte.
🐧 In wie weit hat der Ort Schönberg, in der Nähe von Wien, eine Rolle gespielt, dass es dich ausgerechnet in die Gegend gezogen hat?
🤫 Der Ort Schönberg liegt nur eine Autostunde von Wien entfernt im wunderschönen Kamptal in Niederösterreich, der für seine sehr guten Weine bekannt ist. Ich habe mich auch nicht nach der Ortschaft benannt oder der Ort nach mir. Mich hat vor über 25 Jahren nicht der Wein angezogen, sondern die Geologie des Kamptals. Ich habe in dieser Gegend die wissenschaftlichen Untersuchungen für meiner Diplomarbeit durchgeführt und auch heute zieht es mich immer wieder ins Kamptal auf der Suche nach touristischen Höhepunkten und anderen Freizeitaktivitäten.
🐧 Noch wirst du mit der Vermarktung deines Stempelmörders beschäftigt sein, vor allem wenn es mit der Verfilmung klappt. Oder hast du bereits einen nächsten Roman in Arbeit?
😆 Das ist richtig. Ich muss an dieser Stelle die sehr gute Zusammenarbeit mit dem Gmeiner Verlag und mit meiner Lektorin Teresa Storkenmaier besonders hervorheben. Ohne Gmeiner wäre der Stempelmörder nicht das, was ihn heute ausmacht. Gerade in den schweren Zeiten der Pandemie war auf den Gmeiner-Verlag immer Verlass.
Eine Verfilmung des Stempelmörders wäre schön. Mit dem Buchtrailer konnte ich mir einen kleinen Wunsch erfüllen. Zurzeit arbeite ich sehr intensiv an der Fortsetzung der „Piefke 5-Reihe“. Die Abenteuer der Protagonisten Juri Sonnenburg und Georg gehen natürlich weiter.
Daneben habe ich mich einer weiteren Leidenschaft verschrieben: dem Afrika-Krimi. Bei ausgedehnten Reisen im Osten und Süden Afrikas fand ich geheimnisvolle Orte mit spannenden Geschichten, die mein Interesse geweckt haben und liefern eine großartige Fundgrube für Krimis auf dem afrikanischen Kontinent.
🐧 Kalle gibt es jetzt auch in einer zweiten Geschichte, ein kleines Abenteuer mit dem Piratenkapitän Schlappohr. Aber zur abschließenden Frage möchte ich doch unser erstem Kinderbuch DIE NOT IST GROSS, EINER MUSS LOS stellen. Welches ist dein Lieblings-Tier?
🙂 Das ist natürlich der Pinguin! Ich bin meinen ersten Pinguinen in Namibia begegnet. Auf der Penguin Island, die der Lüderitzbucht vorgelagert ist, lebt der afrikanische Pinguin. Ich bin damals auf einem Gaffelschoner zur Pinguininsel gefahren und habe dort die Pinguine beobachten können. „DIE NOT IST GROSS, EINER MUSS LOS“ ist eine fantastische Geschichte, die mir sehr gefallen hat und die ich jederzeit weiterempfehlen kann! Ich musste sofort an mein Pinguin-Erlebnis in Namibia denken.