Interview-Partner: Michael Paul [Schriftsteller]
🐧 Hallo Michael, wie bist du zum Schreiben gekommen?
🐾 Schreiben liegt wohl schon in meinen Genen. Mein Vater war Journalist und hat in den 1970ern Fortsetzungsromane geschrieben, meine Mutter hat für eine Lektorin Manuskripte getippt. Ausgebrochen ist die Leidenschaft aktiv bei mir, als ich meine Autobiografie über die ersten 47 Jahre meines Lebens geschrieben habe. Daraus wurde ein richtig dickes Hardcover. Ich habe mit einer Lektorin professionell daran gearbeitet. Trotzdem gibt es nur sieben Exemplare für die Familie. Damit war aber klar, dass ich weiter schreiben werde.
🐧 Wie bist du auf die Idee gekommen deine ersten 47 Jahr deines Lebens zu verschriftlichen. Ich bin gerade 47 Jahre, vielleicht sollte ich mal darüber nachdenken.
🐾 Der Gedanke geisterte mir schon viele Jahre im Kopf herum. Dabei hatte ich gar kein so spektakuläres Leben, aber das ist ja immer sehr individuell, bewegt war es allemal. Vielleicht liegt es ja auch am Alter, dass man dann auch gerne mal etwas mehr nach hinten schaut, um zu sehen, was vor einem liegt. Lange dachte ich, dass ich gar nicht viel zusammenbekomme, mich erinnern kann oder zeitlich zuordnen. Doch dann fing ich an zu sammeln, Bilder, Ereignisse, Vorkommnisse, Gefühle, Phasen etc. Und das auf einen Zeitstrahl eingetragen bringt schnell ein immer detaillierteres Bild. Das war unfassbar spannend und hatte, ohne dass ich das beabsichtigt hatte, eine selbsttherapeutische Wirkung. Wer Tagebuch schreibt, wird das kennen. Da saß ich mehr als einmal heulend vor meinem Laptop… Und das schwierige Verhältnis zu meinen Eltern konnte ich damit, quasi „als Nebenwirkung“, für mich richtig klären und einordnen, was mir in ihren letzten Jahren mit ihnen sehr geholfen hat. Eigentlich kann ich das jedem nur empfehlen. Es muss ja nicht immer gleich ein Buch mit 450 Seiten sein, mit 90 Fotos und einer CD mit der Musik meines Lebens.
🐧 Deine Romane „Das Haus der Bücher“ und „Wimmerholz“ sind beides Romane, die in der Zeit des Nationalsozialismus spielen und auch dein erster Thriller „Tabun“, der in der heutigen Zeit spielt, hat einen Bezug in diese Dekade (Weltkriegsbomben in der Ostsee, die heute noch gefährlich sind). Kennst du dich in dieser Zeit einfach sehr gut aus oder was ist dein Antrieb deine Geschichte auf diese Zeit zu beziehen?
🐾 Die Zeit des Nationalsozialismus hat mich schon als Kind interessiert. Mein Großvater war im Krieg, als Soldat in Königsberg. Schon damals habe ich immer wieder Bildbände angeschaut mit den Bildern des Kriegs. Wahrscheinlich hat mich das geprägt, obwohl weder Großvater noch mein Vater jemals etwas darüber gesagt haben. Durch die intensive theoretische Recherche, ich kann fast sagen, ein Studium und die Recherchereisen, u.a. nach Schweden (für Wimmerholz) und Russland (für „Das Haus der Bücher“) und viele Gespräche mit Zeitzeugen weiß ich, wie wichtig es gerade heute wieder ist, sich mit den Verbrechen der Nazis auseinanderzusetzen. In unterhaltsamer, spannender Form erreiche ich so auch jüngere Leser, u.a. bei Lesungen in Schulen. Das ist mir sehr wichtig.
🐧 Wie wichtig und aufwändig ist die Recherche für deine Romane?
🐾 Meine Recherche ist elementar wichtig. Ohne sie wären meine Romane nicht möglich. Dabei geht es nicht nur um möglichst historische Genauigkeit. Ich recherchiere immer vor Ort, treffe Zeitzeugen, sitze in Bibliotheken und Museen, führe Interviews mit Experten. Alle meine Romane spielen an Originalschauplätzen und basieren auf wahren Begebenheiten oder sind davon inspiriert. Viele Kleinigkeiten und manche Anekdote eines Zeitzeugen wird unauffällig mit in den Roman eingebaut. In „Tabun“, dem ersten Fall meiner Thrillerreihe ist meine Protagonistin blind. Hierfür habe ich mich intensiv mit dem Thema Blindheit auseinandergesetzt und sogar selbst eine ganze Woche blind gelebt, mit einer Trainerin gearbeitet etc. Nur so konnte ich mich dem Thema auch emotional so nähern, damit ich glaubhaft darüber schreiben kann.
🐧 Du engagierst dich offensiv gegen rechts. Ist das mit deinen Romanen entstanden oder bist du zu deinen Romanen gekommen, weil dich diese Zeit so beschäftigt hat?
🐾 Mir geht es insbesondere darum, dass wir nicht vergessen, was geschehen, wozu Menschen fähig sind und was heute wieder passiert. Das ist schrecklich. Ich war fünf Tage in Auschwitz. Ich stand ganz alleine oben in dem berühmten Turmhaus und habe auf das unfassbar riesige gelänge geblickt. An der gleichen Stelle standen damals Himmler, Heydrich und andere Nazigrößen. Dort wurden so unfassbare Verbrechen begangen. Das macht mich immer noch sprachlos, wie unfassbar dumm Menschen heute schon wieder sind, das verharmlosen und AfD wählen. Auf Lesungen wurde ich von solchen Typen auch schon angegangen. Das spornt mich aber an, weiter gegen das Vergessen in spannender Romanform zu schreiben, anders, als das Zeitzeugen oder Historiker mit ihren vielen Büchern tun.
🐧 Kannst du vom Schreiben leben?
🐾 Nein, oder noch nicht? Vielleicht kommt das irgendwann, wenn ein Bestseller gelingt. Seit einigen Jahren habe ich meine Aktivitäten neu sortiert. Ich nutze etwa 60 % meiner Zeit fürs Schreiben und meinen eigenen kleinen Verlag, 40 % gehören dem Broterwerb als Strategieberater für Unternehmen und u.a. als Gastdozent an der Uni und Hochschule. Während das Schreiben ja eher eine einsame Tätigkeit ist, komme ich bei Lesungen, aber eben auch in der Beratung und bei Vorlesungen und Seminaren mit spannenden Menschen in Kontakt. Die Mischung stimmt für mich gerade ganz gut. Wohin sich das entwickelt hängt wohl davon ab, wann der erste Besteller kommt. Mal schauen, ich mache mir da gar keinen Druck und genieße voller Demut und Dankbarkeit das große Geschenk, so leben und arbeiten zu können.
🐧 Was hast du gemacht, bevor du mit der Schriftstellerei angefangen hast?
🐾 Ich bin gelernter Banker und Dipl. Betriebswirt. Nach 13 Jahren Bankkarriere war es aber Ende der 1990er gut. Das war nie mein Traumjob, trotz einer guten Karriere. Dann habe ich mich 1998 selbstständig gemacht als Berater, was eine der besten Entscheidungen meines Lebens war. Ich bin ein sehr freiheitsliebender Mensch, mag mein Leben selbst gestalten, zusammen mit meiner Frau. Nach 15 Jahren dann war es wieder Zeit für eine Veränderung und das Leben als Schriftsteller nahm den Hauptplatz ein. Dazu habe ich den Verlag „Bunte Hunde“ gegründet, in dem ich meine eigenen Bücher publiziere.
🐧 An was arbeitest du gerade?
🐾 Gerade entsteht ein weiterer historischer Roman, der diesmal im Schwarzwald spielt, fast „vor der Haustür“ und eine sehr spannendes Thema behandelt. Der wird dieses Jahr noch erscheinen. Und dann will ich gleich Fall 2 und 3 meiner blinden Thriller-Protagonistin Katharina König nachschieben. Da warten meine Leser auch schon wieder gespannt drauf. Dazu plane ich derzeit gerade einen eigenen Podcast und hoffe im zweiten Halbjahr nochmal auf eine kleine Lesereise gehen zu können. Also es wird mir nicht langweilig.
🐧 Ich habe ein Kinderbuch geschrieben. Ich bin damit also auch ein Autor, ich muss mich aber noch an diesen Begriff gewöhnen und gegenüber einem Schriftsteller, der Romane schreibt verfalle ich ganz gerne mal in die Formulierung, dass ich „nur“ ein Kinderbuchautor bin. Was würdest du mir in deinen Kursen oder Workshops mit auf den Weg gebe?
🐾 Es gibt keinen Grund, sein Licht unter den Scheffel zu stellen. Ich habe noch nie verstanden, warum viele „Autoren“ sich nicht trauen, sich Schriftsteller zu nennen. Eine klare Unterscheidung gibt es ja nicht. Was du machst, ist so wunderbar, der kleine Pinguin zum Verlieben! Ich mache etwas ganz anders, anderes Thema, andere Zielgruppe, anderer Umfang. Aber trotzdem tun wir beide das Gleiche: wir unterhalten Menschen, entführen sie in eine andere Welt, erzeugen einen Film in ihrem Kopf. Das ist doch großartig!
🐧 Mal gucken, ob ich mich noch in diesen Begriff Autor oder Schriftsteller hineinlebe. Nach einem Kinderbuch fällt mir das schwer, allerdings hat auch jeder mit einem ersten Buch angefangen. Und wer weiß, je nachdem wie mir das alles mit Kalle gefällt, vielleicht geht diese tolle Reise als Autor einfach weiter und neben einer zweiten Kalle Geschichte entsteht noch viel mehr.
Einen Hund kann ich in der Kalle Pinguin Welt nicht bieten, ich bin mir sicher, das du sonst den Hund gewählt hättest. Was ist dein Lieblings-Tier aus der Kalle Pinguin Geschichte?
🐾 Stimmt, kein Hund, ich war sehr enttäuscht! 😉 Ich bin sicher, nach unserem Interview wird es einen weiteren Band um Kalle geben und darin gibt es hoffentlich dann einen „bunten Hund“, ja?
Du darfst ihn dann gerne „Paulchen“ nennen. 😉 Gleich nach dem Hund kommt bei mir die Schildkröte. Wir züchten selbst Schildkröten und diese begleiten unsere Familie schon seit vielen Jahren. Ansonsten wäre es das wunderbare Zebra gewesen. Aber die Zeichnungen sind so schön, dass eine Auswahl immer ungerecht ist.
🐧 Danke für die Einblicke. Die Schildkröte ist bei sehr vielen Kindergartenkindern bei der gleichen Frage eine sehr beliebte, wenn nicht sogar die beliebteste Antwort. Das mit Paulchen behalte ich im Hinterkopf.