Interview-Partner: Kai Lüftner [Kreativitäter]
🐧 Hallo Kai, wie verrückt ist es nach einem Papier zu greifen, mit einem Stift darauf zu schreiben und das Resultat in ein anderes, gefaltetes Papier zu packen, es mit einem kleinen Papierschnipsel zu bekleben und jemand anderem per Post zu schicken?
🎸 Das ist meiner Meinung nach die größtmögliche Wertschätzung des geschriebenen Wortes. Weil es so einen beinahe zelebrativen (heißt das so?) Rahmen hat. Weil es anachronistisch und in der heutigen Kommunikations-Verknappung ein Anker ist.
Außerdem archiviert sich sowas besser, man kann es im Nachgang besser verorten. So ging es uns zumindest beim Einlesen der Briefe. Im Draufblick wurde klar, wie die Zeit vergangen ist und wie damals aktuelle Themen plötzlich Vergangenheit geworden waren.
🐧 Ob „zelebrativ“ so verwendet werden kann, das nehmen wir einfach als künstlerische Freiheit, ich denke jeder/e kann damit etwas anfangen.
Die Ausgangslage für deinen Briefe-PodCast mit Annette Frier war unter anderem dein Umzug auf irgend so ein Ostsee-Sandhaufen im Wasser. Ob im Schnee baden oder in den Wellen, ein wenig Einsamkeit umgeben von purer Natur – so zumindest kommt es bei mir rüber – bist du dem zu vielen Trubel der Stadt entflohen oder warst du immer schon „Natur-Bursche"?
🎸 Ich glaube, ich bin wirklich einer Art innerem Ruf gefolgt. Der rief schon lange, irgendwo tief in mir, wurde aber immer wieder überhört oder überlagert oder schlicht und ergreifend absichtlich ignoriert und als blöde abgetan. Das einzig wirklich blöde war genau das zu tun. Ich hab genug Stadt und Lautheit und Omniverfügbarkeit von allem. Ich wollte nicht nur in die Natur, sondern vor allem zurück zu mir. Ich hab in paar Jahren Landleben soviel Neues gelernt - über alles mögliche. Vor allem aber über mich. Ne Dose Ravioli aufm Gaskocher mit Meerblick ist für mich unbezahlbar. N 90 Euro Steak im Four Seasons irgendwie sinnlos.
🐧 Du hast dein Lager am Wasser aufgeschlagen, wären Berge genauso gut?
🎸 Nope! Ich hatte Meersucht. Berge kriegen mich nur von Weitem.
🐧 Du bist ein vielseitiger Künstler, Musik, Texte, Kinderbücher, Vorleser, PodCaster... wie entscheidest du, was dein nächstes Projekt sein wird?
🎸 Ja. Keine Ahnung. Ich musste einiges umstellen und bin noch mittendrin. Mein Live-Business (Konzerte, Shows, Lesungen, etc.) ist ja quasi auf Null. Das hab ich aber bewusst schon vor Corona gemacht, durch das Auswandern. Nun hat sich eh einiges getan, ich schreibe viel mehr und diverser als vorher. Ich hab gerade den Titelsong zum Regie-Debüt von Daniel Brühl gemacht. Das war cool. Ich hab gerade n Buch von Paul McCartney übersetzt. Das war auch cool. Keine Ahnung... Es tut mir ehrlich gesagt ganz gut n bisschen loszulassen und mal zu schauen was kommt. Was ich nicht will, weiß ich so langsam - der Rest darf sich zeigen.
🐧 Gibt es aktuell etwas neues, etwas das in Planung ist, was du hier beschreiben magst – nur umschreiben, ohne zu verraten was es genau ist?
🎸 Non-Fiction. Mehr sag ich nicht.
🐧 Dann soll das auch so stehen bleiben.
Wer in der Öffentlichkeit steht, der erzeugt ein Bild. Gerade Künstler, die in den Medien auftreten scheinen alles richtig gemacht zu haben, zumindest wenn sie von dem was sie machen auch leben können. Hast du mal etwas ganz anderes gemacht oder gab es vielleicht aus dem Elternhaus einen vorgezeichneten Weg und was wäre das gewesen?
🎸 Ich war (und bin) mit Sicherheit nicht das, was man „klassische Karriere" bezeichnet. Ich hadere immer noch und immer wieder mit mir - egal, wie erfolgreich das von außen aussieht. Es gab sehr schlechte Sozialprognosen in meiner Jugend, aber das zeigt nur, wie blöd es ist, sich einreden zu lassen, man sei so oder anders. Ich glaube, eines der größten Geschenke in dieser unserer Art als weiße Mitteleuropäer zu leben, ist die Wahl zu haben. Sich auszuprobieren. Ich werde wohl nie nur Dinge tun, die ich alle gleichermaßen mag oder liebe. Aber, ey... ehrlich... ich kann standortunabhängig, also an einem Ort meiner Wahl, meistens genau das tun, was mir definitiv am besten liegt: schreiben! DANKE!
🐧 Ich mag mich täuschen, aber hadern ist doch die beste Voraussetzung sich und sein Werk zu hinterfragen, das sind doch die besten Voraussetzung das beste aus allem heraus zu holen. Ist das vielleicht ein Qualitätsmerkmal?
🎸 Keine Ahnung, vielleicht. Dranbleiben und Authentizität sind auch welche, würde ich sagen.
🐧 Du hast vorhin erwähnt Opapi-Opapa von Paul McCartney übersetzt zu haben. Was macht dir mehr Laune, quasi fremden Stoff bearbeiten oder doch lieber die eigenen Geschichten entwickeln?
🎸 Ich mag beides. Aber am Ende mach ich doch lieber einfach meins. In all seinen Darreichungsformen.
🐧 Furzipups, sei kein Frosch, Finstersteins, sind Titel von dir. Ist dein jüngstes Werk automatisch auch immer dein gerade liebtes?
🎸 Bis zum schreiben ja, sonst könnte ich es nicht machen. Aber was sich dann wie daraus ergibt, ist doch - auch gefühlt - sehr unterschiedlich. Manche Titel hallen total lange nach, andere sind kurz nach VÖ einfach irgendwie weg…
🐧 Wie cool ist das denn – schoss es mir durch den Kopf, als ich dich als Toni-Figur entdeckt habe - wie bist du zu einer eigene Toni-Figur gekommen?
🎸 Durch das große Glück, angefragt worden zu sein, als Tonies noch ganz am Anfang stand. Die Kids von Firmengründer Patrick waren Fans von Rotzn Roll Radio. Und ich habe geliebt, wie sehr er für sein Projekt gebrannt hat - auch wenn damals nicht ansatzweise zu erkennen war, was das mal werden würde. Ich hab ihm nach genau 2 Sekunden Bedenkzeit die Rechte am dritten Rotzn Roll Radio Album gegeben, das gerade frisch in der Crowdfundingphase war. Wir hatten uns gegen weitere Label-Zusammenarbeit entschieden und unser eigenes gegründet. Was lag näher, als auch andere Vertriebsformen zu finden?
🐧 Und gibt es ein Projekt, das du mal abgelehnt hast, was du vielleicht falsch eingeschätzt hast und im Nachhinein doch sehr gerne bearbeitet hättest?
🎸 Es gibt total viel was ich abgelehnt habe und ablehne... Keine Ahnung warum, aber so richtig bereut hab ich nix von dem. Glaub ich. Entweder es war zu viel, zu schlecht bezahlt, kam von Leuten, die ich nicht mochte oder hat mich einfach nich gezeckt. Was soll ich da bereuen?
Wie gesagt, zu wissen was ich nicht will - da bin ich seit paar Jahren ganz gut dabei.
🐧 Das kenne ich und mein Kalle ist tatsächlich so ein Ding mit dem ich mir etwas erfülle, von dem ich sagen kann, das ist das was ich will. Da wir nun auf unseren Pinguin gekommen sind, was ist dein Lieblings-Tier aus unserer Kinderbuchgeschichte mit Kalle Pinguin?
🎸 Ich mag alle Tiere. Keine Pointe.