Interview-Partner: Emil [Mobilitätsbotschafter]
🐧 Hallo Emil, Du bist Mobilitätsbotschafter - was ist das und was zeichnet dich aus, dass du dich so nennst?
🚲 Seit Ende 2020 bin ich Verwaltungs(draht)esel bei der Stadt Kamen. Ich habe dort vielfältige Aufgaben. Auf der einen Seite bin ich ein Dienstfahrzeug, auf der anderen Seite aber eben auch Mobilitätsbotschafter. Dabei möchte ich die Menschen für's tägliche Radeln begeistern.
Wenn wir heute über Klimaschutz reden, liegt eine riesengroße Stellschraube darin, wie wir uns fortbewegen. Das ist eigentlich ganz vielen Menschen bewusst. Dennoch sind auch mir in der Vergangenheit immer zahlreiche Gründe eingefallen, warum gerade für die eine Fahrt ein Auto herhalten muss: Strecke zu lang, Regen, Hitze, schlechte Wege, keine Zeit. Mit meinem Dienstantritt begann ich für mich festzustellen, dass das Auto eigentlich immer nur die bequemere Lösung ist. Seither erradele ich für mich Tag für Tag mehr Lebensqualität.
Diese positiven Eindrücke und Erfahrungen teile ich auf Instagram.
Ich versuche dort der Frage nachzugehen, was Mobilitätswende eigentlich bedeutet. Wer wendet denn da eigentlich etwas für mich? Und wann genau passiert das wohl? Dabei bin ich über ein großartiges Zitat von Albert Einstein gestolpert: "Auf Veränderung zu hoffen, ohne selber etwas dafür zu tun, ist wie am Bahnhof zu stehen und auf ein Schiff zu warten."
🐧 Du bist also ein Lastenrad. Mein erstes Lastenrad als Interview-Partner.
Wie darf ich mir Deinen Alltag vorstellen?
🚲 Klar komme ich in der Stadt viel rum. Hier darf ich mit netten Menschen viele tolle Projekte anstoßen und umsetzen. Ich verteile regionales Wildblumensaatgut, hänge mit Bürgerinnen und Bürgern Nistkästen auf, lasse aus alten städtischen Werbebannern Fahrradtaschen nähen, pflanze Streuobstwiesen, verschenke Gutscheine für Beetpaten städtischer Pflanzflächen und bringe den Servicewagen der Radstation zu Reparaturtagen an die Schulen. Ich sag immer gerne, dass ich hier alles machen darf, was Spaß und Freu(n)de bringt und natürlich eine nachhaltigen bzw. ökologischen Nutzen hat.
🐧 Wenn die alten Werbebanner umgenäht werden, ist der Aufdruck dann innen oder außen?
🚲 Das beantworte ich doch einfach mit einem Link zu @bisign.upcycling. Da findest du Einblicke in die Produktion.
🐧 Wenn du als Botschafter unterwegs bist, lassen sich Menschen vom Auto weg, hin zum Rad bewegen?
🚲 UUUUh, dass ist eine ganz schwere Frage, die ich mir selber auch noch nicht beantworten konnte.
🐧 Warum bist du so viel (auf Instagram) unterwegs?
🚲 Derzeit wird man an allen Ecken immer nur von negativen Nachrichten erschlagen. "Fake news", "Doom Scrolling", "Hate spreech" begegnen einem mittlerweile tag täglich. Überall wird einem immer nur vermittelt, was eigentlich nicht funktioniert. Klimaschutz und Verkehrswende als gigantische Baustellen, denen man als Einzelperson machtlos gegenüber steht. Da möchte ich Wege aufzeigen, positive Wege - für einen persönlich und letztlich für die Gesellschaft. Wege, die mit kleinen Schritten beginnen und von Jedem gegangen werden können. Oder gefahren ;o)
🐧 Was ist Dein schönstes Erlebnis?
🚲 Hm, schwer zu sagen. Ich liebe meinen Arbeitsweg - der ist insgesamt 50 km lang und es macht mich jeden Tag glücklich, den mit dem Fahrrad zu fahren. Die Eindrücke, die man auf der Strecke sammeln kann, sind ganz wundervoll. Ganz konkret war der vergangene Montag total grandios. Ich habe meine Kollegin Steffi Haake begleitet, als sie ihr Auto verkauft hat. Das fühlte sich echt verrückt an, irgendwie befreiend!
🐧 Es gibt noch ein weiteres Schlagwort in Deinem social media Account, Nachhaltigkeitsenthusiast - ich habe eine Ahnung, doch erzähl doch einfach mal.
🚲 Ich kann mich sehr für die kleinen Dinge begeistern. Einen tollen Schmetterling sehen, nach Jahrzehnten mal wieder einem Igel begegnen. Ich schreibe dann sehr gerne darüber, was man machen kann, um sowas in Zukunft wieder öfter erleben zu dürfen, z.B. Brennessel für Schmetterlingsraupen stehen lassen und für die Igel besser auf Mähroboter verzichten.
In Sachen Nachhaltigkeit bin ich aber z.B. auch ein großer Fan von Mehrweglösungen und versuche auch da die Menschen zu sensibilisieren. Müllvermeidung, Upcycling und Recycling - auch sehr gute Möglichkeiten, um die Menschen von Klimaschutz zu begeistern.
Ich habe in diesem Jahr u.a. eine Kronkorkensammelstelle im Rathausfoyer eingerichtet. Nach nur 7 Monaten hatte ich rund 100 kg zusammen. Im ganzen Kreis Unna kommen Tonnen zusammen. Der Erlös beim Schrotthändler geht dabei seit Jahren an den Kinder- und Jugendhospizdienst im Kreis Unna.
Verrückt, wenn man überlegt, dass ein Kronkorken nur 2,2 Gramm wiegt. Diese 2,2 Gramm sind in meinen Augen ein sehr gewichtiges Zeichen dafür, dass gemeinsam viel Positives erreicht werden kann.
Mehr Radeln, hin und wieder auf Fleisch verzichten, Plastikkonsum reduzieren. Es gibt endlos viele Beispiele dafür, dass jeder Schritt in die richtige Richtung zählt, ganz egal wie klein er ist. Hauptsache viele Menschen machen mit. ... und es ist wirklich unglaublich, wie schwer so ein Sack mit Kronkorken sein kann. Ich hatte insgesamt 60 kg davon geladen und mich um ein Haar damit überschlagen...also Leute: Kleinvieh macht auch Mist.
🐧 Darf ich fragen, wer für Dich auf Social Media schreibt?
🚲 Klaro! Die liebe Arbeitskollegin Steffi Haake schreibt für mich!
🐧 Wie haben sich eure beiden Wege gekreuzt?
🚲 Ich bin im wahrsten Sinne des Wortes ein Coronakind. Im Jahr 2020 konnten wegen Corona keine Fördermittel ausgegeben werden, die für "Öffentlichkeitsarbeit Radverkehr" zweckgebunden waren. Keine Termine, keine Veranstaltungen, aber bewilligte Fördermittel.
Dem gegenüber Stand der Wunsch, ein Lastenrad anzuschaffen. Mit ein bisschen Überzeugungsarbeit hat die Bezirksregierung es letztlich möglich gemacht, mich kaufen zu können. Mit der Zweckbindung Öffentlichkeitsarbeit war damit auch eigentlich direkt klar, dass ich mehr sein würde, als ein schnödes Dienstfahrzeug - ein Mobilitätsbotschafter eben.
Steffi und ich sind da ein echt grandioses Team.
🐧 Bei der Öffentlichkeitsarbeit geht es erst einmal um alle Menschen. Mit dem Hintergrund des Pinguin Interviews, da geht es eben in erster Linie um die Kinder - gibt es auch spezielle Kinder Aktionen?
🚲 Das Thema „Früh übt sich!“ finde ich außerordentlich wichtig – privat wie dienstlich. Die Kollegin Haake hat z.B. zwei Kinder, vier und sieben Jahre alt. Noch dazu wohnt sie direkt gegenüber einer Grundschule und muss jeden Tag mit ansehen, wie die Kinder mit den Autos direkt vor das Schulhofstor gefahren werden. Das hat es früher so nicht gegeben. Kinder müssen Orientierung und selbstständig Wege zurücklegen lernen. Von der Rückbank des Autos aus geht das nicht. Dienstlich finde ich es daher total wichtig, gerade Schulen und Kitas z.B. bei dem Thema STADTRADELN anzusprechen, zu einer Teilnahme zu motivieren um Kinder und Jugendliche so für klimafreundliche Mobilität zu begeistern.
🐧 Bevor ich zur Schlussfrage komme, wie ist das jetzt genau mit dem 50 km Arbeitsweg?
🚲 Okay, als Lastenfrachter mit dicker Kiste mache ich die 50 km nicht selber. Diese Strecke fährt die Kollegin Haake mit meinem Freund Erwin, einem flotten E-Bike und das bei Wind und Wetter. Nur bei Schnee und Glätte nimmt sie die Bahn – safety first, nech! In einem Jahr hat sie sich so über 8.000 km erradelt.
🐧 Und jetzt die obligatorische Abschlussfrage: Was ist Euer Lieblings-Tier aus unserer Kalle Pinguin Geschichte?
🚲 Das Zebra in der Regenbogen-Version!