Interview-Partner: Friederike [Autorin]
🐧 Hallo Anne-Friederike, du bist jetzt zweifache Autorin, erzähl zum Einstieg doch einfach mal von deinem ersten Kinderbuch „Mückebär“.
📚 Hallo Bo, das mache ich gern. «Mückebär und die Suche nach dem geraubten Winter» ist der erste Kinderroman mit Fakten zum Klimawandel und Klimaschutztipps für die ganze Familie. Er richtet sich an Kinder ab 6 Jahren und wächst quasi mit; denn der Romantext ist zwar fiktiv und erzählt die Geschichte des gummibärchengrossen Eisbären Mückebär, der auszieht, um den Winter zu den schwitzenden Polartieren zurückzuholen. Aber die realen Hintergründe für das Leiden der Eisbären und Polarfüchse, Schneehasen, Robben und Rentiere werden in Randspalten neben der Erzählung erklärt. Dieser Teil meines Kinderromans richtet sich dann eher an schon etwas grössere Kinder bzw. an die mitlesenden und erklärenden Erwachsenen.
🐧 Was war dein Anlass dieses Buch zu schreiben?
📚 Die Fragen meiner beiden Söhne. Sie wollten wissen, was der Klimawandel ist, warum das Eis in der Arktis schmilzt, ob das auch für uns in der Schweiz eine Bedeutung hat und wenn ja, welche. Und sie wollten wissen, wie sie den Polartieren helfen können, damit diese nicht schwitzen und Hunger leiden müssen. Ich habe es ihnen dann zu erklären versucht – aber kaum hatte ich drei Worte gesagt, waren meine Jungs verschwunden.
Die Fragen kehrten aber wieder. Also habe ich überlegt, wie ich ihnen die Fakten vermitteln und sie zum Handeln animieren kann, ohne sie zu ängstigen oder zu langweilen. So ist dann Mückebär entstanden, nicht nur die Geschichte, sondern auch die besondere Kombination aus fantasievoller (und selbstverständlich gut endender) Romanhandlung und Randspalten mit Fakten.
Ich brauchte erst einmal eine Identifikationsfigur, mit der meine Leser mitempfinden und mitfiebern konnten, Mückebär eben. Dazu seine Antagonistin, die Eismöwe Edla, und noch weiteres tierisches Personal. Dann die böse Widersacherin, die Herrscherin ewige Eisblume. Die realen Hintergründe, vor denen die Geschichte spielt, kann man sich bei Bedarf und vielleicht auch in einem weiteren Lesedurchgang mit fortgeschrittenem Alter von den Randspalten erläutern lassen. Folgt aufs Lesen dann die erhoffte Reaktion – wir müssen alle etwas gegen den Klimawandel tun – finden die kleinen Leser im Anhang auch noch 10 Tipps zum Klimaschutz im Alltag.
🐧 Da bin ich mit Kalle ähnlich unterwegs, nur das Kalle für kleinere Kinder ist und ich den Klimawandel nicht als Thema behandel, ihn nicht mal direkt benenne. Trotzdem nutze ich die Klimaveränderung als Rahmenhandlung, schließlich ist es der Grund, warum Kalle auf die Reise geht. Da ich die Geschichte bereits 2012 geschrieben habe und das Thema zwar vorhanden war, aber bei weitem nicht so groß wie heute – ich weiß nicht, wie die Kalle Pinguin Geschichte ausgefallen wäre, wenn ich das erst jetzt schreiben würde. Mittlerweile haben die großen Verlage das Thema ebenfalls entdeckt.
Wie hast du dein erstes Kinderbuch veröffentlicht?
📚 Als Selfpublisherin. Ich habe den Roman geschrieben und selbst gesetzt, bin aufgrund der sich dauernd verschiebenden Randspalten an den Rand des Wahnsinns gekommen, habe den Buchblock von einer Buchsetzerin noch einmal professionell setzen lassen, habe das Cover und einige Bilder für den Innenteil bei einer Illustratorin in Auftrag gegeben und das Buch schliesslich bei BoD hochgeladen. Erschienen ist Mückebär im November 2020. Ab dem kommenden November werde ich den Kinderroman dann im Selbstverlag herausgeben.
🐧 Das bedeutet du lässt dann dein Buch vorab drucken und gründest für den Vertrieb einen eigenen Verlag? (keine Ahnung ob du über diese Verlagsgründung noch etwas schreiben magst und kannst, oder ob das alles noch zu ungewiss ist, interessant könnte es allerdings sein…)
📚 Vorab drucken stimmt. Dieser Punkt ist mir besonders wichtig, denn dann kann ich die Druckqualität steuern. Aber für den Vertrieb habe ich mir einen Partner gesucht. Das Marketing bleibt weiterhin in meinen Händen.
🐧 Dein zweites Kinderbuch „Allererstes ABC außergewöhnlicher Ausreden“ hast du über ein Crowdfunding finanziert.
📚 Ja, richtig. Kinderbücher im Selfpublishing zu produzieren ist ziemlich teuer. Da ich beim „Allerersten ABC außergewöhnlicher Ausreden“ nicht nur das Cover, sondern auch den kompletten Buchblock farbig und ganzseitig habe illustrieren lassen, hatte ich deutlich höhere Investitionen für mein zweites Kinderbuch. Durch eine Facebook-Gruppe kam ich auf die Idee, diese Auslagen mittels Crowdfunding ganz oder teilweise wieder hereinzuholen, was recht gut funktioniert hat. Es war aber auch ziemlich anstrengend, 35 Tage lang quasi den eigenen Börsenkurs hautnah mitzuverfolgen und zu beeinflussen. Denn so ein Crowdfunding ist nicht nur ein Weg zur (Re-)Finanzierung eines Buchprojekts, sondern auch ein guter Test, ob der Markt, ob die Leser überhaupt Interesse an dem Buch haben.
🐧 Warum hat dieses zweite Kinderbuch von dir ein so sperrigen Titel? Ich finde meinen Titel „DIE NOT IST GROSS, EINER MUSS LOS“ manchmal schon recht lang, aber du hast mich da locker übertroffen.
📚 Ich finde den Titel grossartig. 😊 Ein Titel ist ja immer der Versuch, zu beschreiben, worum es im Buch geht, ohne dem Leser zu viel zu verraten. Ich wollte zudem noch transportieren, dass das Buch aus lauter Alliterationen besteht und anders ist, als alle anderen ABCs, die es schon auf dem Markt gibt – und davon gibt es wahrlich viele. So durfte meiner Meinung nach auch der Titel etwas „quer in der Landschaft stehen“. Du hast den Untertitel ja noch gar nicht erwähnt. Komplett heisst mein Buch: „Allererstes ABC aussergewöhnlicher Ausreden – zweckdienliche Zusammenstellung zauberhafter Zwerge“. Meine Illustratorin hatte übrigens auch Freude, als ich darauf bestand, dass dieses Textgebilde komplett auf den Titel muss. Ich liebe Bücher, die sich Lesern frech in den Weg stellen und ihnen die Zunge herausstrecken. Und mittlerweile weiss ich: Meine Leser lieben sie auch.
🐧 Möchtest du dein nächstes Kinderbuch oder Gedichtband gerne über einen Verlag herausbringen oder gefällt dir das Selfpublishing?
📚 Ich bin nach einer grossen Enttäuschung mit einem Verlag, der einen Vertrag versprochen hatte und dann untergetaucht ist, auf den Geschmack des Selfpublishing gekommen. Eigentlich zunächst, weil ich nicht länger auf mein erstes Buch warten wollte. Als ehemalige Magazin-Chefredaktorin und Blattmacherin hat mir aber auch die Gestaltung des Buches von der Typo über Bildauswahl bis zum Satz wieder so viel Spass gemacht, dass ich beim Selbstpublizieren bleiben werde – sehr bald dann zusätzlich auch noch in der Variante des Selbstverlags.
🐧 Beim Crowdfunding gibt es für die Unterstützer, die das Projekt finanzieren, ein Dankeschön. Das sind bei literarischen Projekten meist das fertige Buch, es gibt T-Shirts und Anstecker. Beliebt und limitiert sind beispielsweise auch Lesungen dabei. Die hast du auch angeboten und die wurde einmal gebucht. Hat diese Lesung für eine/einen bereits stattgefunden?
📚 Diese Lesung, die beim Crowdfunding gebucht wurde, ist bereits für den Herbst vereinbart, aber noch nicht über die Bühne gegangen. Ich habe aber schon einige Mückebär-Lesungen in Schulen gemacht, die sehr gut ankamen und mir eine riesige Freude bereitet haben; auch die Presse berichtete darüber, die Berichte stehen auf meiner Website. Auch Online-Lesungen habe ich schon angeboten. Im Oktober gehen die Lesungen mit einem Live-Event in unserer Stadtteilbibliothek weiter – darauf freue ich mich schon sehr. Ausserdem werde ich auf meiner Website einen Shop aufbauen, in dem man nicht nur meine Bücher kaufen, sondern auch Lesungen buchen kann.
🐧 Ich habe dein ABC-Buch, ich nehme mal die Kurzversion, in deinem Crowdfunding ebenfalls erworben, ich habe mich für das handfeste Dankeschön entschieden. Ich fand es total spannend wie du auf den social media Kanälen dafür gekämpft hast. Ich überlege für ein Kalle Pinguin Projekt vielleicht Crowdfunding zu nutzen, dabei geht es allerdings nicht um eine zweite Geschichte, sondern darum vielleicht eine Pappebuch Version zu finanzieren. Im Moment bin ich aber nicht so überzeugt davon, würdest du mich dazu überzeugen können, dass Crowdfunding das Richtige dafür ist?
📚 Ob Crowdfunding für Dich das Richtige ist, musst Du selbst herausfinden. Ich würde Dir auf jeden Fall raten, es auszuprobieren. Man arbeitet ja sehr stark inhaltlich mit seinem Produkt und prüft alles auf diesem Weg noch einmal auf Herz und Nieren. Und man stellt sich mit dem Buch erstmals der Öffentlichkeit, ein klarer Marktcheck – der natürlich auch gnadenlos sein kann, wenn man feststellen muss, dass das Buch doch nicht so sehr gewollt wird, wie man selbst gehofft hat. Crowdfunding ist jenseits des eventuellen Erfolgs aber auch zu 100 Prozent eine tolle Marketingaktion. Und die läuft, BEVOR Dein Buch auf dem Markt ist. Dass heisst, Du hast volle Aufmerksamkeit, sobald es dann erhältlich ist. Wenn ich die Verkaufszahlen meiner beiden Bücher mit deren Erscheinungstermin in Beziehung setze, sehe ich, dass die Kurve beim ABC sehr viel schneller und steiler in die Höhe ging als bei Mückebär. Und sie ist auch oben geblieben. Natürlich habe ich im Rahmen des Crowdfunding aber auch täglich Beiträge gepostet und hatte durch Mückebär bereits eine kleine Community aufgebaut.
Crowdfunding ist anstrengend und man braucht gute Nerven, denn es gibt auch Tage, an denen nicht eine Seele auf Deine Seite schaut, geschweige denn etwas kauft. Das muss man aushalten können. Und natürlich kann man auch scheitern mit einem solchen Projekt. Sicher ist nur, dass man eine Unmenge lernt. Bei mir waren das ausser Nervenstärke und Vertrauen, dass es schon gut werden wird, auch viele technische Fertigkeiten, z.B. einen Film produzieren und schneiden. Das hatte ich noch nie zuvor gemacht. Jetzt kann ich‘s. 😊
🐧 Ich denke das war jetzt schon ein sehr tiefer Einblick ins Crowdfunding, da bist du etwas zu kurz gekommen in unserem Interview. Erzähl etwas über dich, das nicht mit dir als Autorin zu tun hat.
📚 Nun, wenn man sich als Autor fühlt, hat ja eigentlich alles mit dem Autorensein zu tun – weil man auch schlicht alles zu einer Geschichte verarbeiten kann, wenigstens tendenziell.
🐧 Da hast du recht, ein Autor ist dann wie ein Unternehmer, ständig ist man an Ideen dran. Egal ob für ein neues Buch oder um etwas für‘s Marketing zu sammeln. Aber erzähl weiter.
📚 Jeder Spaziergang, jede Person kann eine Inspiration sein. Wenn Du aber wissen willst, ob ich auch noch irgendetwas gern mache, das nicht mit Buchstaben, Worten und Sätzen zu tun hat, dann wohl diese Dinge: Ich liebe Pflanzen und kenne mich gut mit Blumen aus. Leider haben wir keinen Garten, dafür aber einen sehr schön begrünten und beblümten Balkon. Ich liebe es zu nähen, am liebsten Kleidungsstücke, die dann meine Kinder oder ich selbst tragen. Die Prämisse: Es darf nicht selbstgenäht aussehen. 😊 Manchmal werden es dann auch Taschen oder Tischdecken. Ich singe gern und tanze gern – klassisch und zu Rockmusik. Queen, Sunrise Avenue, Crimer und Alphaville sind mein Ding. Wenn ich glücklich bin dürfen es auch mal die Carpenters oder ABBA sein. Bach geht immer. Und ich habe eine ausgeprägte Leidenschaft für Gerstensaft.
🐧 Dann möchte ich zum Abschluss nicht vergessen die klassische Pinguin-Interview-Frage zu stellen, welches ist dein Lieblings-Tier aus „DIE NOT IST GROSS, EINER MUSS LOS“?
📚 (lacht) Das ist gar nicht so einfach zu beantworten! Natürlich ist Kalle klasse, aber das Zebra hat einen Gesichtsausdruck, der mich im Innersten anrührt. Und der aufgewickelte Rüssel des Elefanten hat es mir ebenfalls angetan.