Interview-Partner: Maike Toussaint [von Maikes Rappelkiste]
🐧 Hallo Maike, im Frühjahr war Kalle Pinguin bei Dir - Rappelkiste mit Kalle auf YouTube - zu Gast in Deiner Rappelkiste, erzähle doch mal wie Du zu der Kiste gekommen bist.
🎬 Da muss ich etwas ausholen. 🙂 Ursprünglich bin ich ja gelernte Erzieherin und habe in diesem Beruf auch sehr gerne gearbeitet. Aber nachdem ich selbst Kinder bekommen habe, habe ich gemerkt, dass es noch etwas gibt, was ich mindestens genauso gerne mache wie die Arbeit mit Kindern. Und das ist die künstlerische Seite in mir. Also habe ich, als meine Kinder klein waren, noch eine Schauspielausbildung in Abend- und Wochenendschulen gemacht, wo natürlich auch Gesang, Tanz, Bühnenarbeit etc. dazugehörten.
Nun stellte sich für mich schnell die Frage, wie ich diese beiden tollen Berufe irgendwie miteinander verbinden könnte. Ich wollte weiterhin für und mit Kindern arbeiten, hatte aber auch Spaß daran, auf der Bühne zu stehen und für Film und Fernsehen zu drehen. Mein Traum war es, eines Tages Moderatorin einer Kindersendung zu werden. So etwas wie die Sendung mit der Maus/dem Elefanten, das Baumhaus vor dem Sandmännchen, Anna und die wilden Tiere oder so.
Das Feedback von Agenturen und Mitarbeitern des öffentlich-rechtlichen Fernsehens war allerdings eher ernüchternd und demotivierend. Nämlich, dass ich mit Anfang 30 eher schon zu alt für diese Formate sei...
Damals fragte mich mein Mann: "Was würdest du tun, wenn du kein Geld verdienen müsstest und unendlich viel Geld zur Verfügung hättest?“
Meine Antwort darauf war, dass ich meine eigene Kindersendung machen würde. Und da er meinte, dass ich dann genau dies tun sollte, ging die Reise los.
🐧 Seit nun mehr schon vier Jahren produzierst Du Woche für Woche eine Folge. Das ist doch gar nicht so einfach gemacht, zumindest nicht ohne Unterstützung.
🎬 Ja, das ist wohl so. Aber im Prinzip bin ich eine One-Man- bzw. One-Woman-Show.
Von der ersten Idee bis zum fertigen Video mache ich fast alles alleine. Es sei denn natürlich, es gibt Episoden, in denen Gäste auftreten. Das ist dann eine schöne Abwechslung.
Als ich 2018 mit der Rappelkiste anfing, kannte ich YouTube eigentlich nur als Plattform für lustige Tiervideos. Kameraarbeit kannte ich nur von der anderen Seite, Belichtung, Ton, geschweige denn Videoschnitt waren für mich Böhmische Dörfer. Gott sei Dank hatte ich damals ein paar liebe Menschen um mich herum, die mir beim „Laufen lernen“ geholfen haben und mir einiges gezeigt und erklärt haben. Sie haben mir auch Mut gemacht, am Ball zu bleiben. Auch wenn am Anfang alles noch holprig, unprofessionell und „unfertig“ aussieht. Denn genau diese Möglichkeit bietet einem Youtube. Ohne Sie hätte ich damals sicher die Flinte ins Korn geworfen.
Aber eine meiner größten Stärken ist es, Dinge einfach zu machen oder einfach loszulegen, ohne genau zu wissen, wie und wohin.
Wenn man sich heute die ersten Folgen der Rappelkiste aufruft, ist das ein großer Unterschied zu heute. Ich habe mir mit meiner Tochter die alten Folgen angeschaut und herzlich gelacht.
🐧 Wann kommen Dir die besten Ideen zu den Themen, die in der Rappelkiste vorkommen?
🎬 Das ist sehr unterschiedlich.
Als ich damals die ersten Folgen gedreht habe, wollte ich die Rappelkiste zwei- bis dreimal pro Woche mit Inhalten füllen. Ich habe schnell gelernt, dass das als berufstätige Mutter und als Einzelkämpferin einfach nicht möglich ist. Ein Freund fragte mich damals: Was machst du, wenn dir die Ideen ausgehen?
Diese Frage erschien mir völlig unwichtig. Als Erzieherin war ich es gewohnt, mir jeden Tag etwas Spannendes und Abwechslungsreiches für die Kinder auszudenken. Einmal in der Woche wäre ein Witz dagegen? 🙂
🐧 Das klingt logisch, das schreit gleichzeitig nach einem aber.
Aber ganz so einfach ist es leider nicht, da man im Kindergarten natürlich auch immer wieder auf die gleichen Lieder, Spiele etc. zurückgreift. Mit YouTube geht das nicht.
Manchmal kommen mir Ideen, wenn ich etwas sehe oder höre. Zum Beispiel, worüber sich meine Töchter mit ihren Freunden unterhalten, und dann denke ich: "Darüber solltest du eine Episode machen! Auch Instagram ist eine sehr inspirierende Plattform. Aber nach fast fünf Jahren ist es schon so, dass ich mir feste Tage vornehme, an denen ich mich ruhig und mit wenig Ablenkung an den Schreibtisch setze, mir anschaue, welche Folgen erfolgreich sind bzw. bei meinem Publikum gut ankommen und mir dann überlege, was und in welcher Form ich das ergänzen könnte.
🐧 Du schreibst die Drehbücher (Dreh-Scripte) immer selbst?
🎬 Ja. Wobei ich die Drehbücher, in denen ich alleine vorkomme, viel knapper halte als die Episoden, in denen ich Videomaterial zusammenpuzzeln muss.
Bei meinen Videos habe ich immer einen gewissen „Improvisationsspielraum“. Wenn ich Videomaterial von anderen bekomme, muss das vorher sehr genau geplant und als richtiges Drehbuch mit Text und Handlungsabläufen formuliert werden, damit die Leute wissen, was sie zu tun haben und nachher im Schnitt alles zusammenpasst.
🐧 Wie war das für Dich mit unserer gemeinsamen Folge, gehörte diese eher zu den aufwendigeren Planungen?
🎬 Ja, auf jeden Fall. Die Kommunikation mit mehreren Personen, die Absprachen im Vorfeld, ob alle mit dem Drehbuch so einverstanden sind und auch das Zusammentragen der Dateien war schon aufwendig. Gleichzeitig hatte ich es hier aber auch mit Profis auf zwei Gebieten gleichzeitig zu tun. Im Schnitt hatten sich Fehler eingeschlichen, die die Ausstrahlung etwas verzögerten. Gemeinsam konnten wir diese aber beheben und ich konnte wieder etwas Neues lernen. Außerdem habe ich von dir richtig tolles Schnittmaterial bekommen, für das ich sonst alleine zuständig bin. Das war auch sehr schön.
🐧 Unsere Kalle Pinguin Folge war für mich super spannend. Ich habe mich gefragt: "würde ich das einigermaßen hinbekommen?“ Und ich habe etwas überlegt, ob ich wirklich die ganze Geschichte in Deiner Rappelkiste vorlesen sollte. Letztlich habe ich das gemacht und ich bin zufrieden mit der Folge. Und innerhalb von ein paar Wochen haben sich auch über 2.000 Zuseher:innen unsere gemeinsame Rappelkistenfolge auf YouTube angesehen. Was war Deine spannenste Folge?
🎬 Das war ganz klar unsere gemeinsame Episode. Da ist so viel zusammengekommen, was ich mir immer für mein Format wünsche. Der Inhalt der Folge liegt mir am Herzen, er ist spannend, kindgerecht und hat auch einen musikalischen Anteil.
Es kommen mehrere Menschen zusammen, deren Ziel es ist, tolle Inhalte für Kinder zu produzieren. Kann es etwas Schöneres geben?
Vielleicht erinnerst du dich an meinen Traum, etwas wie „Sendung mit dem Elefanten“ zu produzieren. Dieser wunderbare Comic war genau das, wovon ich geträumt habe und hat mir gezeigt, dass man nicht immer auf das Wohlwollen von irgendwelchen Fernsehsendern, Castern und Co. angewiesen ist, sondern sein Glück selbst in der Hand hat.
🐧 Mich hat es an Löwenzahn mit Peter Lustig erinnert, vor allem hat mir der Gedanke beim Vorlesen von Kalle Pinguin geholfen, weil Peter Lustig als gelernter Tontechniker eben kein gelernter Sprecher war und doch alle seine kleinen Einspieler Filme selbst eingesprochen hat.
Würdest Du gern mal eine Folge mit jemandem berühmten drehen?
🎬 Ich würde unheimlich gerne mal etwas zusammen mit Rolf Zuckowski machen. Wobei da das Traumziel eher ein musikalisches Theaterstück oder etwas in dieser Art wäre.
Aber eher, weil er mein Idol und Vorbild ist und ich mir seit Kindesalter visualisiert habe (ohne damals zu wissen was das ist), dass ich ihn irgendwann persönlich kennenlerne.
Aber abgesehen von diesem großen Traum habe ich schon mit tollen Leuten zusammengearbeitet, von denen ich nie gedacht hätte, dass ich auch nur eine Antwort bekomme, wenn ich ihnen schreibe. Stephen Janetzko z.B. Seine Lieder kenne ich natürlich als Pädagogin. Und ihn damals für ein, mittlerweile mehrere Projekte zu gewinnen (ganz aktuell arbeite ich an einem Adventskalenderbuch, in dem er auch vorkommen wird), war so herzlich, menschlich und wunderbar. Und das macht mir Mut, einfach weiterzumachen.
Also: Man muss nicht unbedingt berühmt sein. Ich liebe es, Folgen mit Menschen zu machen, die selbst etwas Tolles für Kinder machen. Und diese Vielfalt an Möglichkeiten finde ich großartig!
🐧 Das Kalle Pinguin bei Dir in die Rappelkiste gekommen ist, daran ist der Daniel Dorfkind schuld, der das Kalle Pinguin Lied gesungen hat.
🎬 Ich höre schon seit einiger Zeit den Podcast des Netzwerks Kinderlieder „Heididei und Rock’n Roll“. Ich finde es spannend zu hören, wie und auf welch unterschiedliche Art und Weise KinderliedermacherInnen ihren Weg zur Kindermusik gefunden haben und wie sie das zum Beruf machen.
In einer Folge wurde auch Daniel interviewt, den ich bis dahin nur von Instagram kannte. Er erzählt von eurer Zusammenarbeit und eben von Kalle, für den er so ein tolles Lied schreiben durfte.
Wie immer, wenn mich etwas gepackt hat, habe ich Daniel kurzerhand kontaktiert und gefragt, ob ich seinen Song in der Rappelkiste vorstellen darf oder ob er Lust auf eine gemeinsame Folge hat.
Daniel war sofort an Bord und meinte gleich, dass wir doch auch den Bo mal fragen sollten, der Kalle Pinguin ins Leben gerufen hat. Und so kam schnell eins zum anderen und es entstand meine neue Lieblingsfolge!
🐧 Das ist jetzt etwas viel der Ehre, Danke. Auf jeden Fall hat es sehr sehr viel Spaß gemacht und es hat sich großartig angefühlt.
Wie viel Zeit steckt durchschnittlich in einer fertigen Folge?
🎬 Ja, das ist sehr, sehr unterschiedlich. Am Anfang habe ich immer eine Folge gedreht, die dann am Sonntag ausgestrahlt wurde. Irgendwann musste ich aber anfangen, für Content vorzudrehen, um Ausfälle zu vermeiden. Und davon hatte ich als Mutter (vor allem in Corona) und während der Produktions- und Promo-Phase meines Albums jede Menge.
Momentan plane ich immer eine ganze Woche ein, um 2-4 Episoden zu drehen, zu schneiden und alles für die Veröffentlichung vorzubereiten, wie YouTube Texte, Thumbnails, Social Media Posts etc. Danach widme ich mich wieder 1-2 Wochen anderen Projekten.
🐧 Die anderen Projekte, hat das etwas mit singen zu tun?
🎬 Während meiner Schauspielausbildung hatte ich die Möglichkeit, mit dem regionalen Kinderliedersänger Uwe Reetz zusammenzuarbeiten und ihn bei seinen zahlreichen Auftritten zu begleiten. Hier konnte ich viel über ein mir bis dahin völlig unbekanntes Buissiness lernen, habe aber gemerkt, dass es mir richtig Spaß macht und dass da so viele Dinge zusammenkommen, die mir Spaß machen. Da wusste ich, DAS will ich auch machen. Aber ich bin weder Tontechniker, noch Komponist, noch habe ich ein Studio, um Sachen aufzunehmen. Wie sollte das gehen?
Über Uwe lernte ich dann das „rurton producing team“ kennen, mit dem ich im Corana-Jahr ein wundervolles Familien-Weihnachts-Musikhörspiel geschrieben und produziert habe.
Unter dem Namen „vierdafür“ sind die „Dezemberzeilen“ erschienen, bei denen ich vor allem für die Kinderthemen und die Story verantwortlich war. Die Arbeit mit diesem Team war für mich eines der schönsten Berufsjahre, an das ich sehr gerne zurückdenke, und so ergab es sich, dass diese Leute mit mir zusammen ein Album für „Maikes Rappelkiste“ produzierten.
Die erste Single „Keine Langeweile mehr“ war ein Riesenerfolg, den ich mir nie hätte träumen lassen und wurde sogar regelmäßig im Radio gespielt.
Seitdem gebe ich viele Konzerte mit meiner eigenen Musik in Kindergärten, Grundschulen, bei Firmenfeiern, Stadtfesten und anderen kulturellen Veranstaltungen. Alle Termine sind auf meiner Homepage zu finden.
Seit diesem Jahr arbeite ich mit einem neuen Produktionsteam zusammen. Ich bin sehr gespannt, wie sich meine Musik mit ihnen weiterentwickeln wird und wie meine kleinen und großen Fans diesen frischen Wind finden werden.
🐧 Kannst Du sagen was Dir mehr Spaß macht, eine Rappelkistenfolge drehen oder vor Kindern singen?
🎬 Beides macht mir sehr viel Spaß. Aber jedes für sich ist eigentlich auch genug Arbeit.
Bei meinem YouTube-Kanal bin ich völlig frei. In der Themenwahl, in der Zeiteinteilung und in der Umsetzung. Es ist mein Baby und das ist wunderbar. Auf der anderen Seite bin ich aber auch komplett alleine verantwortlich. Ich stoße auch heute noch oft auf Probleme, die es zu lösen gilt und da wäre es manchmal wirklich schön, ein Team zu haben, wo jeder seine Stärken einbringt und nicht alles auf einer Schulter lastet.
Die Musik ermöglicht mir einen persönlichen Kontakt zu meinen Rappelkids. Ich bekomme hautnah mit, was ihnen gefällt und was nicht. Nach den Konzerten bleibe ich immer sehr gerne noch eine Weile und unterhalte mich mit Kindern und Eltern. Das sind oft so herzliche Momente, die einfach alles wettmachen. Ich kann mir gar nicht mehr vorstellen, darauf zu verzichten!
Ich habe mich in den letzten zwei Jahren oft gefragt, was würdest du aufgeben, wenn es einfach zu viel wird und es nicht mehr geht.
Aber ich komme immer wieder zu dem Schluss, dass „Maikes Rappelkiste“ genau das ist. Eine Dachmarke, unter der ich die Möglichkeit habe, all die Dinge zu machen, die ich gerne für Kinder machen möchte. Und Musik ist eben ein großer Teil davon. Aber nicht der einzige. Ich freue mich immer über neue Ideen und Möglichkeiten, mich weiterzuentwickeln. Vor 5 Jahren hätte ich nie gedacht, dass ich Videos drehen, ein Album aufnehmen und vermarkten, ein Buch schreiben uvm. Aber dank der Rappelkiste ist mir das jetzt möglich.
🐧 Würdest Du gern Deine oder eine Sendung im herkömmlichen Fernsehen haben oder als Sängerin ein noch viel größeres Publikum unterhalten?
🎬 Ja und Nein 🙂
Klar, das war mein Traum. Eine eigene Sendung im Free-TV für Kinder. Vor allem, weil ich dann nicht alles alleine machen müsste und echte Profis das Format extrem aufwerten würden!
Aber ich weiß ja auch durch meine Arbeit als Schauspielerin, wie so eine Produktion abläuft.
Frei bin ich dann nicht mehr und ich weiß nicht, ob ich das nach so vielen Jahren in Eigenregie noch kann und will. Zumal ich persönlich das normale Fernsehen für ein aussterbendes Medium halte, das sich wahrscheinlich nicht mehr über eine weitere Generation halten wird. Warum sollte ich also meine Energie darauf verschwenden, diesem Ziel hinterherzulaufen.
Aber natürlich fände ich es wunderbar, wenn noch viel, viel mehr Kinder meine Sachen finden und anschauen könnten. Ich bin einfach völlig offen für das, was das Universum für mich bereithält und zur richtigen Zeit in mein Leben spült. Aber was genau das sein wird, kann ich mal wieder nicht sagen 😉
🐧 Das wollen wir alle auch gar nicht wissen, das wäre ja langweilig. Aber ich weiß genau was Du meinst, uns geht es mit unserem Kalle Pinguin Projekt ähnlich. Und das ist gleichzeitig ein schönes Schlusswort, doch nicht ohne die übliche Pinguin Interviewfrage: Welches ist Dein Lieblings-Tier aus unserer Kalle Pinguin Kindergeschichte?
🎬 Die Giraffe mit ihrem Fisch im Hals 🙂