Interview-Partner: Patricia Vogel [das.mama.labor]
🐧 Hallo Patricia, 384.400 km dauern mit einem Flugzeug - wie wir es von Urlaubsflügen kennen - ca. 20 Tage. Hättest du Lust auf eine Reise?
👩🔬 Definitiv. Für eine Reise bin ich immer zu haben! Aber wenn mein Reiseziel 384.400 km entfernt wäre, würde ich doch eher eine Rakete statt einem Flugzeug nehmen. Diese Strecke entspricht nämlich genau der Entfernung von unserer Erde zum Mond. Und den würde ich mir definitiv anschauen, wenn ich die Chance hätte. Auch wenn dort in naher Zukunft keine Linienflugzeuge hinfliegen werden, finde ich Vergleiche mit bekannten Dingen immer extrem hilfreich. Wenn mein 3-jähriger Sohn fragt „Können wir auch mal zum Mond fahren“ und ich antworte „Das sind fast 400.000 Kilometer. Wenn wir mit einem Auto so weit fahren könnten, würden wir bis Weihnachten brauchen. Eine Rakete ist so schnell, die schafft diese Strecke in drei Tagen.“, kann er diese Entfernung besser einschätzen, als wenn ich ihm nur die Entfernung nennen würde. So habe ich ihn in seiner Welt abgeholt. Trotzdem wäre seine Antwort vermutlich „Lass uns eine Rakete kaufen und hinfliegen“.
🐧 Du gehst auf deinem Instagram-Account wissenschaftlichen Fragen nach, warst du in Naturwissenschaften eine gute Schülerin?
👩🔬 Das ist ein klares Jein. Ich war sehr gut in Physik und auch in Chemie ganz gut, aber Biologie ging in Schulzeiten nie an mich heran. Wie immer hing das natürlich vor allem am Lehrstoff und an den Lehrer*innen. Wir hatten einen tollen Physiklehrer, der großartig die Prozesse und Hintergründe erklärt hat und einfach selbst von seinem Fach begeistert war. In Biologie mussten wir immer ganz genau alles auswendig lernen und Bilder aus Büchern haargenau abzeichnen. Das hat mir einfach keinen Spaß gemacht. Heute finde ich eigentlich alle Gebiete spannend.
🐧 Was fasziniert dich an physikalischen Gesetzen oder biologischen Zusammenhängen?
👩🔬 Ich bin einfach extrem neugierig und möchte die Welt um mich herum verstehen. Dabei helfen mir natürlich die Wissenschaft und deren Methoden. Gerade Naturgesetze heißen ja so, weil sie eindeutig sind und man immer auf sie zurückgreifen kann. Es ist egal, ob ich in Frankfurt, Südafrika oder auf dem Mond bin, die Physik ist überall gleich. Das ist schon faszinierend.
🐧 Deine Bilder auf Instagram zu deinen Themen sind graphisch aufbereitet, ich würde sagen, dass du dich mit Infographiken auskennst. Sind die alle von dir?
👩🔬 Ja, das ist ein Hobby von mir. Mir macht es Spaß zu überlegen, wie man Prozesse nicht nur sprachlich aufbereitet, sondern auch optisch. Durch eine geschickte Kombination von beidem wird alles vieles anschaulicher, gerade für Kinder. Außerdem ist es ein guter Ausgleich zur häufig doch eher theoretischen Arbeit.
Viele meiner Kolleg*innen arbeiten in größeren Teams mit einer Person, die exklusiv für Grafikdesign zuständig ist, den Luxus habe ich in unserem kleinen Institut nicht. Wir haben früher immer auf einen externen Dienstleister zurückgegriffen. Aber zum einen ist das teuer, zum anderen gerade bei zeitkritischen Sachen immer schwierig. Also habe ich nach und nach immer mehr Grafiken alleine erstellt. Begonnen habe ich damals mit einem kleinen Onlinekurs und alles Weitere habe ich mir selbst beigebracht und habe richtig Spaß daran.
🐧 Was machst du denn beruflich?
👩🔬 Ich arbeite als Pressereferentin am Frankfurt Institute for Advanced Studies, einem Forschungsinstitut mit einem Fokus auf theoretische Naturwissenschaften. Dort arbeite ich die Ergebnisse unserer Wissenschaftler so auf, dass wir sie allgemein verständlich werden. Ein idealer Job für mich, da ich so immer wieder neue spannende Themen bearbeiten darf. Aktuell bin ich allerdings in Elternzeit. Damit meine grauen Zellen nicht zu sehr einschlafen, habe ich auf Instagram @das.mama.labor begonnen. Hier möchte ich anderen Eltern ein paar Ideen und Hintergründe geben, um mit ihren Kindern wissenschaftliche Themen zu besprechen und einfache Experimente zu machen, – auch wenn sie selbst keinen wissenschaftlichen Hintergrund haben und die Schule schon lange zurückliegt.
🐧 Du hast das Thema Radon behandelt. Wie bist du zu dem Thema gekommen, auch wenn ich das schon mal gehört habe, ich wäre nicht auf die Idee gekommen darüber zu berichten?
👩🔬 Ich muss sagen, mir ging es ähnlich. Bis vor ein paar Jahren ein guter Freund die Leitung des Hessischen Radonzentrums übernommen hat. Er hat mich dann auf das Thema aufmerksam gemacht. Es handelt es sich beim hessischen Radonzentrum um ein Kompetenzzentrum, das für die Radonvorsorge hier bei uns in Hessen zuständig ist. Das dortige Team macht eigene Untersuchungen zum Radonvorkommen in der Region, aber informiert und berät Bürger*innen, Organisationen und Gemeinden auch in einer eine breit ausgelegten Informationskampagne.
Neben einem tollen Instagramkanal @hessisches_radonzentrum informieren sie auch über eine ganz toll aufbereitete Webseite www.radon-einfach.de. Dort wurden alle Fakten zum Thema ganz verständlich und einfach erklärt und wunderbar grafisch umgesetzt.
Für mich ein großartiges Beispiel für eine gelungene Öffentlichkeitsarbeit zu einem schwierigen Thema. Was ich dort gelernt habe, wollte ich dann auch mit meinen Followern teilen. Denn wenn jemand aus der Wissenschaftsgemeinschaft kommt, sich bisher kaum damit auseinandergesetzt hat, haben es vermutlich die meisten Menschen mit anderen beruflichen Hintergründen erst recht nicht.
🐧 Besonders interessant fand ich allerdings die „Adhäsionskraft“. Das habe ich wahrscheinlich noch nie gehört oder gelesen, dabei haben wir bestimmt alle schon einmal diese Kräfte genutzt.
👩🔬 Das geht vermutlich vielen so. An sich gibt es für fast jede Kraft, jeden Mechanismus oder Prozess in der Natur und Technik einen wissenschaftlichen Namen. Diese sind häufig aber nur den Fachleuten bekannt. Ich versuche auch in meinen Posts schwierige Begrifflichkeiten, wenn möglich zu vermeiden oder halt so zu erklären, dass jeder versteht, was damit gemeint ist. Die Adhäsionskraft wird auch Anhangkraft genannt und ist dafür verantwortlich, dass unterschiedliche Stoffe aneinanderhaften. Z.B. die Farbe von Buntstiften auf dem Papier oder Leim auf Holz haftet.
🐧 Die genaue Erklärung kann man auf deinem Insta-Kanal finden. Da beschreibst du ausführlich die Anhangskraft, also Adhäsionskraft und nicht nur, dass ein Bleistift eine Spur auf dem Papier hinterlässt, sondern auch warum es gelingt diese Spur wieder zu radieren.
Wenn du dich so viel mit Naturwissenschaften auseinandersetzt, liegt das an deinem Beruf oder...
👩🔬 An sich setze ich mich vor allem mit Naturwissenschaften auseinander, weil es mir Spaß macht. Den Instagramkanal habe ich aus mehreren Gründen gestartet. Zum einen wollte ich ein kleines Projekt, damit ich währen der Elternzeit nicht einroste. Zum anderen war es sehr lange vogue, kein Interesse an Wissenschaft zu haben. Bei diversen Veranstaltungen habe ich immer wieder Sätze wie „In Mathe war ich nie gut, Physik fand ich schon in der Schule doof“ von Eltern gehört, während ihre Kinder danebenstanden. In den meisten Fällen übernehmen die Kinder diese negative Grundeinstellung. Zum Glück ändert sich das gerade ein wenig. Die Debatten um den Klimawandel, Fake News und Covid haben dazu geführt, dass sich viele (teilweise zum ersten Mal) über die Wichtigkeit von Wissenschaft bewusst werden. Sie wollen dafür sorgen, dass ihre Kinder einen positiveren Zugang dazu erhalten als sie selbst. Und genau diesen Eltern möchte ich mit dem Mama Labor helfen. Aus diesem Grund achte ich auch darauf, für alles eine verständliche Erklärung zu geben. Kinder sind eigentlich grundinteressiert an den Dingen, die unsere Welt ausmachen. Wenn sie dann bei den kleinsten Nachfragen von ihren Eltern ein „das weiß ich nicht“ oder „google es doch“ als Antwort bekommen, werden sie sehr schnell aufhören, Fragen zu stellen.
🐧 Gibt es etwas von dem du erstaunt bist, dass das Wissen um ein Wissensgebiet scheinbar verloren gegangen ist?
👩🔬 Oh, da gibt es einige Dinge. Was mich aber am meisten erstaunt ist, wie sehr die Allgemeinbildung nachlässt. Vielleicht ist das auch nur mein Empfinden, aber ich habe das Gefühl, dass viel Wissen, das früher selbstverständlich war, heute in der breiten Bevölkerung nicht mehr vorhanden ist. Gerade das Wissen darüber, wie die Dinge funktionieren, die man täglich nutzt. Mich erstaunt immer wieder, dass die meisten Leute sich mit den Computern, Handys und Tablets, die sie nutzen, überhaupt nicht auskennen. Auch das geografische Wissen bzw. die Orientierungsfähigkeit hat extrem nachgelassen. Natürlich ist da der Grund, dass man alle Informationen so schnell im Internet nachschauen kann und das Navi selbst auf Wegen die man regelmäßig fährt, eingeschaltet wird. Überall dort stecken naturwissenschaftliche Grundlagen drinnen, deswegen finde ich es so wichtig, das Interesse daran schon möglichst früh zu wecken.
🐧 Großartig, da bin ich mit meiner kleinen Geschichte auch nur ein ganz kleiner Wissensvermittler. Da frage ich dich lieber als Mama und frage nicht nach dem wissenschaftlichen Nutzen, sondern wie alle anderen, was ist dein Lieblings-Tier aus unserer Kalle Pinguin Geschichte?
👩🔬 Für alle, die schon einmal einen Pinguin hüpfen gesehen hat, müsste die Antwort eigentlich ganz klar Kalle sein. Aber wir mussten beim Bild vom Fisch im Hals der Giraffe so lachen, dass ich mich doch für Mia die Giraffe entscheide.