Interview-Partner: Ulrich Hub [Autor & Regisseur]
🐧 Hallo Ulrich, so als Pinguin zu Pinguin-Autor. Warum hast du ausgerechnet einen Pinguin zum Protagonisten gemacht, ich dachte das wäre eine tolle Idee und dass ich der Einzige damit wäre.
🕊 Das habe ich bisher auch immer gedacht, aber ich habe nach meinem ersten Schock mal kurz recherchiert. Im Netz gibt es sogar jede Menge Pinguine, es wimmelt gerade von ihnen, nicht nur in Büchern sondern in Tierfilmen und Trickfilmen, sie sind sogar Werbeträger für Frostschutzmittel und Schwimmbekleidung. Eigentlich ziemlich demütigend. Nicht nur für die Pinguine, sondern auch für uns.
🐧 Ja, da sitzen wir im selben Boot. Jetzt ist es doch schon absurd genug, dass Pinguine überhaupt auf die Arche wollen, schließlich wird die Welt überflutet, also die gesamte Welt wird mit dem Element ausgestattet, in dem Pinguine sich am schnellsten und elegantesten von allen fortbewegen können, wo sie ihre Nahrung finden. Reicht es nicht diese Absurdität in die Geschichte zu bringen, warum dann noch der Regelverstoß, dass ausgerechnet drei Pinguine aufkreuzen?
🕊 Diese drei Pinguine sind Weltmeister in der Disziplin „Regelverstoß“. Sie lügen fast auf jeder Seite meines kleinen Buches. Aber man muss ihnen zu Gute halten, dass sie nicht blind und ohne Nachzudenken jeden Befehl gehorchen, selbst wenn er von oberster Stelle kommt – in diesem Fall von Gott. Man darf seine Freunde einfach nicht im Stich lassen – vor allem wenn gerade die Welt untergeht.
Selbstverständlich können sie schwimmen, aber das haben sie in der Aufregung völlig übersehen. „Es war schließlich Weltuntergang“, so rechtfertigen sie sich am Ende. Da vergisst man schon die eine oder andere Kleinigkeit. Nicht zuletzt hat mir mal ein kleines Mädchen in Russland (auf einer meiner Lesereisen, die Pinguine haben mich schon um die halbe Welt geführt) erklärt, dass es selbst für Pinguine, die ausgezeichnete Schwimmer sind, schwierig ist, sich vierzig Tage lang über Wasser (oder darunter) zu halten. „Vor allem“, fügte es hinzu, „wenn überall im Wasser die Leichen der ertrunkenen Tiere herumschwimmen, die keinen Platz mehr auf der Arche bekommen haben.“
🐧 Lesereise Russland. Sprichst du russisch? Auch so gut, dass du selber liest und Fragen beantworten kannst?
🕊 Nein, nein, ich kann kein Russisch, die Lesereise wurde vom Goethe Institut organisiert, und selbstverständlich wird man von einer Übersetzerin begleitet. Wobei ich Russisch gerne mag und es eigentlich längst lernen wollte.
🐧 Welche Rolle würdest du in deiner Geschichte gerne selber spielen?
🕊 Darüber habe ich noch nie nachgedacht, aber jetzt, wo du fragst … Am liebsten wäre ich … Noah, der hat nämlich die ganze Zeit in seiner Kabine gesessen und nichts gemacht, die ganze Arbeit hat er von der Taube erledigen lassen, schon bevor es überhaupt losgegangen ist, hat er sie um die ganze Welt fliegen lassen (und zwar in Rekordzeit), um die begehrten Tickets zu verteilen.
Er behauptet zwar immer, er habe die Arche gebaut, und das sei schon enorm viel Arbeit gewesen, aber in Wirklichkeit haben seine Kinder das riesige Schiff gebaut, Noah selbst hat nur auf der Baustelle herumgestanden und Anweisungen gegeben.
Moment, je länger ich darüber nachdenke, ist Noah eigentlich kein angenehmer Zeitgenosse, ich würde lieber eine andere Figur sein. Der kleinste Pinguin – weil er so viel Fantasie hat und geschickt lügen kann. Um gut lügen zu können, braucht man nämlich viel Empathie, man muss sich gut in andere Leute hineinversetzen können – und genau das kann er.
🐧 Ich streue zwischendurch einmal eine total ernste Frage ein. Du bist vom Schauspieler auf dem Weg zum Regisseur noch Kinderbuchautor geworden. Wie nimmst du Texte wahr, was machen Geschichten mit dir, wie gehst du damit um?
🕊 Waren die anderen Fragen nicht ernst? Dann muss ich meine Antworten noch mal kurz überdenken.
🐧 Ernst waren alle meine Fragen, ein bisschen Augenzwinkern war schon mit dabei, also nicht total ernst.
🕊 Zu der Frage: Ich lese Texte immer zu meinem Vergnügen. Schon als Kind habe ich gerne gelesen, vermutlich schreibt niemand Bücher, der auch nicht gerne liest. Mein kritisches Profiauge ist eigentlich die ganze Zeit geschlossen – selbst bei meinen eigenen Texten, jedenfalls solange ich schreibe, sonst kommt man zu nichts. Zum Glück habe ich jede Menge Freunde und Mitarbeiter, die meine Geschichten schon in frühen Versionen hören oder lesen – und ich fordere sie auf, mir ihre Meinung zu sagen, ganz ehrlich. Das ist zwar manchmal nicht so vergnüglich, wie man es sich gewünscht hat – aber Ehrlichkeit zeichnet Freundschaft aus, oder?
🐧 Jetzt könnte es philosophisch werden, aber um das abzukürzen stimme ich dir zu. Dennoch gibt es sicherlich zwei Aspekte, die ich spontan sehe, die trotz Ehrlichkeit etwas im Weg stehen könnten. Wer dich und deine Art zu schreiben mag, der wird deine Werke schon mit einem positiven Gefühl konsumieren und es sicherlich von vornherein positiv bewerten. Auf der anderen Seite kann ich mir vorstellen, das es nicht jedem liegt konstruktive Kritik zu formulieren, so könnte aus Scheu etwas zurückgehalten werden.
Kommt es denn vor, dass du Passagen nach konstruktiver Kritik überarbeitest?
🕊 Wer meine Bücher kennt und mag (so viele sind es übrigens nicht), sagt auch manchmal: Deine neue Geschichte ist nur halb so gut wie dein letztes Buch. Das ist jetzt nicht unbedingt konstruktive Kritik. Aber es liegt an mir selbst, wie ich damit umgehe. Ich entschiede selbst, welche Kritik ich annehme und welche nicht. Bei all meinen Büchern mit Tierfiguren wurde mir immer geraten, den Tieren Namen zu geben – was ich bisher immer abgelehnt habe. Man kann die Figuren ohne Namen durchaus voneinander unterscheiden – durch ihr Verhalten zum Beispiel.
Übrigens überarbeite ich sowieso viel. Meine Hauptarbeit als Autor liegt im Überarbeiten des Überarbeiteten des Überarbeiteten. Damit ich nicht völlig den Verstand verliere, erzähle ich eben den Leuten gerne meine Geschichten. Wenn übrigens bei einem Witz niemand lacht, dann fliegt er raus. Das ist keine Frage. Noch nicht einmal eine Frage des Geschmacks.
🐧 Um das alles nicht so einseitig werden zu lassen, die Pinguin-Geschichte ist dein Bestseller, du hast aber noch mehr geschrieben.
🕊 Ich habe über zwanzig Theaterstücke geschrieben, Bearbeitungen anderer Texte nicht eingeschlossen, nur die Hälfte davon sind für Kinder. Aber in den letzten Jahren schreibe ich ausschließlich für Kinder, weil es mir einfach mehr Spaß macht. Ich habe – gerade im Theater – herausgefunden, welcher enorme Freiraum beim Kinder- und Jugendtheater existiert. Es ist alles erlaubt – nur eine Regel gibt es: Man darf nicht langweilen.
🐧 Als ich von dir erfahren habe, dass du Schauspieler bist, da bin ich etwas zusammen gezuckt. Habe ich dich nicht erkannt? Vielleicht ein Gedanke, den man schon mal hat. Aber nicht alle Schauspieler tauchen in Filmen auf und wenn die Bühnen, auf denen zu Hause bist oder warst nicht um die Ecke liegen, dann wird es schwer einen jeden Schauspieler zu kennen.
🕊 Ich bin schon lange nicht mehr als Schauspieler tätig, mir hat es auch nie richtig Spaß gemacht. Theater mochte ich noch viel lieber, aber Film war ganz schrecklich, ich war auch nicht besonders gut in diesem Medium. Sobald eine Kamera auf mich gerichtet war, wurde ich so locker und durchlässig wie ein Sack Zement. Das ist heute auch noch so. Versuch nur mal, ein halbwegs vernünftiges Foto von mir zu machen.
🐧 Das können wir bei Gelegenheit mal ausprobieren. Ich würde einen Abend, beispielsweise auf einer Theaterpremiere, mit meiner Kamera herumlaufen und dich immer wieder vor die Linse nehmen. Die tollsten Fotos entstehen, wenn man nicht mitbekommt, dass man fotografiert wird. Das gilt in der Regel für jeden.
Was sagst du, wenn ich dir jetzt einen Regie Stuhl in Hollywood anbiete?
🕊 Hast du dazu die Möglichkeit?
🐧 Ich bemale ein Pappschild, auf dem „Hollywood“ steht und stelle einen Stuhl drunter 🤣
🕊 Ich mag Theater lieber als Film, aber ich schaue in der Zwischenzeit lieber Filme an als Theater. Vielleicht hätte ich gerne mal das Team und die Schauspieler von „Friends“ kennen gelernt, dann hätte ich mich unter Umständen dazu breit treten lassen, eine Folge zu inszenieren. Oder zwei. Oder zehn. Aber dieser Zug ist jetzt abgefahren. Diesen Stuhl hättest du mir vor zwanzig Jahren anbieten sollen. „Friends“ sehe ich allerdings immer noch.
🐧 Jetzt bist du schon im Traum-Beruf Schauspieler, warum wolltest du dann noch Regisseur werden? Hattest du so viele schlechte Regisseure, dass du es besser machen wolltest oder wolltest du einfach mal das Sagen haben?
🕊 Als Regisseur ist man auch nicht völlig unabhängig. Wenn ich Regie führe, versuche ich nie, wirklich nie, meine Wünsche durchzusetzen oder meine eigene Vorstellung zu realisieren – denn die kenne ich schon, und dann langweilt es mich. Das Schöne am Theater ist, dass man über einen längeren Zeitraum gemeinsam mit vielen anderen Leuten – und eben nicht nur den Schauspielern – eine Geschichte vom Papier auf die Bühne bringen kann.
🐧 Als Schauspieler hast du sicher die Aufgabe, dass du dich in andere hineinversetzen musst. Wie ist das als Regisseur, da musst du dich doch im Grunde in alle Figuren oder zumindest in die wichtigsten hineinversetzen, um deinen SchauspielerInnen sagen zu können, was sie gerade spielen sollen.
🕊 Ich sage den Schauspielern nie, was sie zu spielen haben, die haben schon genug eigene Ideen, die muss ich dann vielleicht sortieren, ich beobachte, was die Schauspieler spielen und versuche, ihnen die Angst zu nehmen. Schauspielen hat wirklich viel mit Ängsten zu tun, nur die weniger Intelligenten haben keine Angst.
🐧 Schauspieler oder Schauspielerin ist so ein Traumberuf für viele. Sicher weil viele darin die Stars sehen, dass sie geradezu im Geld schwimmen. Es ist eine tolle Vorstellung sich ständig in anderen Rollen verstecken zu können. Ist Schauspieler ein Traumberuf für dich?
🕊 Traumberuf Schauspieler? Für mich nicht mehr.
Aber ich habe es nie bereut, auf einer Schauspielschule gewesen zu sein & auf Bühnen gestanden zu haben. Ich habe in den Jahren viel gelernt über alles Wesentliche fürs Schreiben. Selbst heute hilft es mir immer noch bei Auftritten. Ich habe keine Angst, wirklich keine, vor Leuten aufzutreten, zu sprechen und zu lesen – jedenfalls solange keine Filmkamera auf mich gerichtet ist.
🐧 Mit „An der Arche um Acht“ und „Das letzte Schaf“ nimmst du biblische Themen ins Auge. Also du nutzt sie für deine Geschichten. Warum eine biblische Rahmenhandlung?
🕊 Das ist reiner Zufall, beide Geschichten waren Auftragsarbeiten. Schreiben Sie bitte ein Theaterstück für Kinder ab 5 zum Thema Gott: Oder. Schreiben Sie bitte eine Weihnachtsgeschichte. Übrigens hatte ich in beiden Fällen zuerst abgelehnt, weil ich kein gläubiger Mensch bin. Die Bibel steht bei mir im Buchregal zwischen 1001 Nacht, den griechischen Sagen und dem Märchen der Brüder Grimm.
Bei der Weihnachtsgeschichte hatte ich mich dazu entschieden, diese längst bekannte Story aus der Sicht der Schafe zu erzählen, die fester Bestandteil jeder Weihnachtskrippe sind – aber in der Bibel mit keinem einzigen Wort erwähnt werden.
🐧 Ich habe für die erste Kalle Pinguin Geschichte den Klimawandel als Rahmenhandlung gewählt – wobei ich dazu sagen muss, das war bereits 2012, da war das Thema öffentlich noch recht klein – ich brauchte eben einen Grund, um Kalle von seinem schönen weißen Südpol in die Welt zu schicken. Was ist dein Lieblings-Tier in der Kalle Pinguin Geschichte?
🕊 Meine Lieblingsfigur ist Kalle, dein Pinguin (aber ich bin natürlich nicht ganz unvoreingenommen bei Tieren).